Update: Auslegung der Begriffe "Überführung" bzw. "Übertragung" in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG bei Formwechsel

Im Rahmen einer normspezifischen Auslegung der Begriffe "Überführung" bzw. "Übertragung" in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG sind die Wertungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 einzubeziehen. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 vor, ist für die Frage, wann der betreffende Grundbesitz i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 Halbsatz 2 GewStG in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs (als übernehmende Gesellschaft) "überführt" oder "übertragen" worden ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem er in das Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft gelangt ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine 2005 zunächst in der Rechtsform einer KG gegründete Objektgesellschaft. Mit Gesellschafterbeschluss vom 20. Juli 2011 wurde die Klägerin in eine GmbH umgewandelt. Die Klägerin hatte im Jahr der Gründung Grundstücke erworben, die sie bereits vor dem Umwandlungsbeschluss an Dritte veräußert hatte. Der Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten der Immobilie erfolgte mit der Kaufpreiszahlung am 15. März 2011.

Im Rahmen ihrer für den Erhebungszeitraum 2011 (Streitjahr) abgegebenen Gewerbesteuererklärung deklarierte die Klägerin einen Kürzungsbetrag für die erweiterte Kürzung bei Grundstücksunternehmen i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 Gewerbesteuergesetz (GewStG).

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung vertrat das Finanzamt demgegenüber die Auffassung, die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG stehe der Klägerin nicht zu. Dies folge aus § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG, wonach die Sätze 2 und 3 der Vorschrift nicht gelten, soweit der Gewerbeertrag Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven aus einem Grundbesitz enthält, der innerhalb von drei Jahren vor der Aufdeckung der stillen Reserven zu einem unter dem Teilwert liegenden Wert in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs überführt oder übertragen worden ist, und soweit diese Gewinne auf bis zur Überführung oder Übertragung entstandene stille Reserven entfallen.

Das Grundstück sei im Rahmen der Umwandlung in das Betriebsvermögen der Klägerin überführt worden. Dies ergebe sich aus dem gemäß § 25 des Umwandlungssteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (UmwStG 2006) sinngemäß anwendbaren § 20 UmwStG 2006.

Die dagegen erhobene Klage vor dem Finanzgericht Köln hatte Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hat rechtsfehlerfrei dahin erkannt, dass der Klägerin im Rahmen der Ermittlung ihres Gewinns aus Gewerbebetrieb der beantragte Kürzungsbetrag für die sog. erweiterte Kürzung bei Grundstücksunternehmen i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 2 und 3 GewStG zu gewähren ist. Das Finanzgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG im Streitfall nicht vorliegen, so dass der Satz 2 der Vorschrift zur Anwendung gelangt.

Im Rahmen einer normspezifischen Auslegung der Begriffe "Überführung" bzw. "Übertragung" in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 GewStG sind die Wertungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 einzubeziehen.

Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 vor, ist für die Frage, wann der betreffende Grundbesitz i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 2 Halbsatz 2 GewStG in das Betriebsvermögen des aufdeckenden Gewerbebetriebs (als übernehmende Gesellschaft) "überführt" oder "übertragen" worden ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem er in das Betriebsvermögen der übertragenden Gesellschaft gelangt ist.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 UmwStG 2006 ist in den Fällen, in denen die Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen für die Besteuerung bedeutsam ist, der Zeitraum seiner Zugehörigkeit zum Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft dem übernehmenden Rechtsträger anzurechnen.

Bei ertragsteuerrechtlichen Vorschriften, die eine bestimmte Besitzdauer voraussetzen und daher an einen Zeitraum anknüpfen, zählt danach für durch Sacheinlage (§§ 20 Abs. 1, 25 Satz 1 UmwStG 2006) übernommene Wirtschaftsgüter die Zugehörigkeit des Sacheinlagegegenstands ab dem (rückbezogenen) Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen der Übernehmerin zuzüglich der Besitzdauer im Betriebsvermögen beim Einbringenden.

Diese sog. Besitzzeitanrechnung ist grundsätzlich auch für die Gewerbesteuer zu beachten (vgl. BFH, Urteil vom 16. April 2014, I R 44/13).

Update (05. Dezember 2022)

Das Urteil I R 39/19 wurde im BStBl. veröffentlicht, BStBl. II 2022, Seite 683.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 27. Oktober 2021 (I R 39/19), veröffentlicht am 17. März 2022.

Zum Anfang