EuGH zum umsatzsteuerlichen Begriff der festen Niederlassung
Die Erbringung konzerninterner Dienstleistungen begründet noch keine umsatzsteuerliche Betriebsstätte. Dies hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem rumänischen Fall entschieden und dabei zu den materiellen Voraussetzungen einer festen Niederlassung Stellung genommen. Es handelt sich um ein weiteres Urteil in einer Reihe von Rechtssachen zu diesem Thema.
Nach dem zuletzt zu diesem Thema ergangenen Urteil vom 3. Juni 2021 in der Rechtssache C-931/19, Titanium stellt der EuGH in seinem aktuellen Urteil klar: Der Unternehmer muss zur Annahme einer festen Niederlassung nicht unbedingt über eine eigene Ausstattung verfügen. Konkret ging es um die Frage, ob ein Steuerpflichtiger, der die personellen und technischen Mittel eines verbundenen Unternehmens nutzt, eine feste Niederlassung begründen kann. Dies verneinte der EuGH im vorliegenden Fall.
Sachverhalt
Berlin Chemie A. Menarini SRL, Klägerin, ist die rumänische Tochtergesellschaft einer deutschen Gesellschaft (Berlin Chemie AG), die gegenüber der AG Marketing-, Werbe-, Regulierungs- und Vertretungsdienstleistungen erbringt. Die Berlin Chemie AG vermarktet in Rumänien kontinuierlich pharmazeutische Erzeugnisse zur laufenden Versorgung der Arzneimittelgroßhändler Rumäniens und hat zu diesem Zweck einen Lagervertrag mit der rumänischen Gesellschaft geschlossen.
Die Haupttätigkeit der rumänischen Gesellschaft ist die Managementberatung im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation und sie kann auch Nebentätigkeiten des Großhandels mit pharmazeutischen Erzeugnissen, der Managementberatung, von Werbeagenturen sowie der Markt- und Meinungsforschung ausüben. Die rumänische Gesellschaft hat sich vertraglich dazu verpflichtet, die Erzeugnisse der deutschen Gesellschaft in Rumänien aktiv zu bewerben, u. a. durch Marketingaktivitäten entsprechend den von der deutschen Gesellschaft aufgestellten und entwickelten Strategien und Budgets.
Die Finanzbehörde ging davon aus, dass die von der rumänischen Gesellschaft an die deutsche Gesellschaft erbrachten Dienstleistungen von dieser in Rumänien empfangen worden seien, wo diese über eine feste Niederlassung verfügt habe. Die rumänische Gesellschaft habe eine technische und personelle Ausstattung gehabt, die ausgereicht habe, um regelmäßig steuerbare Lieferungen von Gegenständen vorzunehmen oder Dienstleistungen zu erbringen, zu denen die deutsche Gesellschaft ununterbrochen Zugang gehabt habe.
Entscheidung des EuGH
Der EuGH kommt zu dem Schluss, dass die Berlin Chemie AG über ihre Tochtergesellschaft keine feste Niederlassung in Rumänien unterhält. Das Bestehen einer Tochtergesellschaft in einem anderen EU-Mitgliedstaat, die ihr personelle und technische Ausstattung gemäß Verträgen zur Verfügung stellt, nach deren Maßgabe sie ihr exklusiv Marketing‑, Regulierungs‑, Werbe- und Vertretungsdienstleistungen erbringt, reiche für sich genommen nicht zur Begründung einer festen Niederlassung aus.
Maßstab für das Vorliegen einer festen Niederlassung seien die wirtschaftlichen und geschäftlichen Gegebenheiten. Die Einstufung einer Niederlassung als „feste Niederlassung“ darf insofern nicht allein von der Rechtsform der betreffenden Einrichtung abhängen. Bei einer juristischen Person, auch wenn diese nur einen einzigen Kunden habe (hier: die AG), sei davon auszugehen, dass sie die ihr zur Verfügung stehende technische und personelle Ausstattung für ihren eigenen Bedarf einsetze.
Eine feste Niederlassung müsse einen hinreichenden Grad an Beständigkeit, sowie eine von der personellen und technischen Ausstattung her geeignete Struktur aufweisen. Zwar ist es dafür nicht erforderlich, dass selbst über eine eigene personelle oder technische Ausstattung verfügt wird. Der Unternehmer muss jedoch befugt sein, über diese personelle und technische Ausstattung in derselben Weise zu verfügen, als wäre sie seine eigene, beispielsweise auf der Grundlage von Dienstleistungs- oder Mietverträgen, durch die ihm diese Ausstattung zur Verfügung gestellt wird und die nicht kurzfristig gekündigt werden können.
Im Übrigen stellt der EuGH fest, dass dieselbe Ausstattung nicht gleichzeitig für die Erbringung und für den Empfang derselben Dienstleistung verwendet werden könne.
Fundstelle
EuGH, Urteil vom 7. April 2022 (C-333/20), Berlin Chemie A. Menarini SRL
Lesen Sie dazu auch den Fachbeitrag im PwC Newsletter:
Umsatzsteuer-News, Ausgabe 5 – Mai 2022
Eine englische Zusammenfassung des Urteils finden Sie hier.