Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung eines bei Überlassung von elektronischen Zahlungskarten erhobenen Kartenpfandes
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass es sich bei dem im Rahmen eines bargeldlosen Zahlungssystems für die Überlassung elektronischer Zahlungskarten in Stadien erhobenen Kartenpfand nicht um pauschalierten (durch die Kartenrückgabe auflösend bedingten) Schadensersatz handelt, sondern um eine steuerbare sonstige Leistung, die nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG als Umsatz im Zahlungs- und Überweisungsverkehr steuerfrei ist, wenn der leistende Unternehmer selbst die Übertragung von Geldern vornimmt.
Hintergrund
Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. d Umsatzsteuergesetz (UStG) die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft, im Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr und das Inkasso von Handelspapieren.
Sachverhalt
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A, die bargeldlose Zahlungssysteme im Soft- und Hardwarebereich entwickelte und vertrieb. A war in den Jahren 2008 bis 2013 (Streitjahre) umsatzsteuerrechtliche Organträgerin der B.
B überließ den Besuchern von Stadien elektronische Zahlungskarten zur bargeldlosen Zahlung von Speisen und Getränken in den Stadien. Die Nutzung der E-Karte war in den von der Vorinstanz in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der B näher geregelt.
In § 6 der AGB für den Karteninhaber die Möglichkeit zum Rücktausch eines etwaigen Kartenguthabens (in Bar- oder Buchgeld) vorgesehen. Nach dem Preis- und Leistungsverzeichnis der B betrug das Kartenpfand 2 €, das bei der erstmaligen Ausgabe der bis zu 150 € aufladbaren E-Karte vom Ausgabewert abgezogen wurde.
Die Stadionbetreiber und Caterer zahlten Provisionen an B, die nach den mit den E-Karten geleisteten Zahlungen oder festen Größen, wie z.B. Zuschauerzahlen, bemessen wurden. B bot einen umfassenden Service für den Kartenzahlungsverkehr an, indem sie Kartenlesegeräte zur Verfügung stellte und im Stadion mit eigenem Personal den Vertrieb, die Aufladung und Rückgabe der E-Karten organisierte.
Die aus dem Kartenpfand in den Streitjahren erzielten Erlöse sah A in ihren Umsatzsteuererklärungen als umsatzsteuerfrei an. Das Finanzamt vertrat nach einer Außenprüfung dagegen die Auffassung, dass es sich bei den Erlösen aus dem Kartenpfand um steuerpflichtige Umsätze aus der Lieferung von Gegenständen handele, die dem Regelsteuersatz unterlägen.
Die Klage vor dem Finanzgericht Hamburg hatte keinen Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Das hingegebene Pfand in Höhe von 2 € ist kein nicht umsatzsteuerbarer pauschalierter Schadensersatz, der durch die Rückgabe der überlassenen Karte auflösend bedingt ist, sondern ein steuerbarer Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG.
Die Überlassung der E-Karte gegen ein Pfand in Höhe von 2 € ist keine selbständig zu betrachtende Lieferung von Gegenständen i.S. des § 3 Abs. 1 UStG (vgl. auch EuGH-Urteil Vega International Car Transport and Logistic vom 15.05.2019 - C-235/18, Rz 41).
Sie ist vielmehr mit der damit eröffneten Möglichkeit, in den Stadien bargeldlos zu zahlen, so eng verbunden, dass objektiv ein einziger untrennbarer wirtschaftlicher Vorgang mit dieser sonstigen Leistung i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG besteht.
Die sonstigen Leistungen der B sind im Lichte der Art. 131, 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL als Umsätze im Zahlungsverkehr nach § 4 Nr. 8 Buchst. d UStG steuerfrei.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 26. Januar 2022 (XI R 19/19 (XI R 12/17)), veröffentlicht am 09. Juni 2022.