Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Werbelebensmittel?

In einem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Aussetzung der Vollziehung) hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass es ernstlich zweifelhaft ist, ob die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Lebensmittel ausscheidet, wenn der Abnehmer diese zur Erzielung einer Werbewirkung (als Werbematerial) erwirbt.

Hintergrund

Der Kläger und Antragsteller betrieb im Streitjahr 2017 einen Handel für Werbeartikel. Seine Kunden konnten aus einem Sortiment verschiedener Waren wählen. Zur Auswahl standen insbesondere Kugelschreiber, Feuerzeuge und Arbeitsbekleidung, aber auch zahlreiche Produkte der sogenannten Kategorie „Food“. Hierzu gehörten z. B. Fruchtgummis, Pfefferminzbonbons, Brausebonbons, Popcorn, Kekse, Glückskekse, Schokolinsen, Teebeutel und Kaffee oder Traubenzuckerwürfel, die jeweils in kleinen Abpackungen angeboten wurden. Die Individualisierung erfolgte durch eine bestimmte Umverpackung, Aufdrucke, Gravuren oder Ähnlichem.

Der Antragsteller erklärte die Lieferungen von Lebensmitteln aus dem "Food-Bereich" zum ermäßigten Steuersatz. Das Finanzamt ist jedoch der Auffassung, dass es sich bei diesen Lieferungen um eine sonstige Leistung in Form der Werbeleistung handele, die mit dem Regelsteuersatz zu versteuern sei. Das Finanzgericht hatte die Klage und die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes mit der Begründung abgelehnt, der Steuerpflichtige habe bei qualitativer Betrachtungsweise an seine Kunden Werbeartikel geliefert, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Dem widersprach der BFH in seinem Aussetzungsbeschluss.

Richterliche Entscheidung

Der BFH gab dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung statt, da nach summarischer Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Solange die Definition der Lebensmittel als Erzeugnisse, die dem menschlichen Organismus Nährstoffe liefern, erfüllt wird, komme der ermäßigte Steuersatz zur Anwendung, so der BFH. Dies unabhängig davon, welche weiteren Zwecke mit diesen Lebensmitteln verfolgt werden.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Anlage 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterliegt die Lieferung von Lebensmitteln dem ermäßigten Steuersatz, soweit zusätzlich die Voraussetzungen in Anlage 2 zum UStG vorliegen. Entsprechend Art. 98 in Verbindung mit Anhang III Nr. 1 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) können die Mitgliedstaaten eine Steuersatzermäßigung insbesondere für Nahrungs- und Futtermittel schaffen. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass jedes für den menschlichen Verzehr bestimmte Erzeugnis, das dem menschlichen Organismus Nährstoffe liefert, die für die Erhaltung, den Betrieb und die Entwicklung dieses Organismus erforderlich sind, unter die in Anhang III Nr. 1 MwStSystRL angeführte Kategorie fällt, ebenso wenn der Verzehr dieses Erzeugnisses auch andere Wirkungen erzeugen soll.

Daraus folgend die Zweifel des BFH, ob im Streitfall der Regelsteuersatz anzuwenden ist. Bei den vom Antragsteller gelieferten Lebensmitteln handelt es sich um für den menschlichen Verzehr bestimmte Erzeugnisse, die dem menschlichen Organismus Nährstoffe liefern. Dass diese Erzeugnisse auch andere Wirkungen erzeugen sollen, stehe dem infolgedessen nicht entgegen.

Des Weiteren ist es auch ernstlich zweifelhaft, so der BFH, ob gegen die Steuersatzermäßigung eingewendet werden kann, dass der Zweck des Anhangs III MwStSystRL darin besteht, die Kosten für bestimmte, als unentbehrlich erachtete Gegenstände zu senken und somit dem Endverbraucher, der die Mehrwertsteuer letztlich entrichten muss, den Zugang zu ihnen zu erleichtern. Denn die Besteuerung der Lieferungen des Antragstellers könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob seine Abnehmer die Gegenstände unentgeltlich oder gegen ein z.B. geringeres Entgelt abgeben.

Auch, so der BFH abschließend, sei zweifelhaft, ob die vom Finanzamt und Finanzgericht als maßgeblich angesehene Werbewirkung entscheidend ist, da diese zumindest nach dem Wortlaut der Regelungen in Anhang III einer Steuersatzermäßigung nicht entgegenstehe.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 06. Mai 2022, V S 7/21 (AdV) – als NV-Entscheidung veröffentlicht am 11. August 2022.

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