Bauabzugsteuer: Betriebsausgabenabzug des Leistungsempfängers bei Zahlungen an eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft
Mit aktuellem Urteil hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Sperrwirkung des § 48 Abs. 4 Nr. 1 Einkommensteuergesetz auch dann eingreift, wenn der Leistungsempfänger die Zahlungen an eine inaktive ausländische Domizilgesellschaft erbringt. Die durch die Vorschriften ausgelöste Ungleichbehandlung zwischen Bauleistungsempfängern und Auftraggebern von Leistungen aus anderen Dienstleistungssektoren verstoße dabei nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes.
Im entschiedenen Fall war streitig, ob die von der Klägerin an britische Subunternehmer geleisteten Zahlungen in voller Höhe als Betriebsausgaben abziehbar oder diese gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) wegen unterlassener Empfängerbenennung in Höhe von 70 % zu kürzen sind.
Sachverhalt
Die Klägerin erzielte aus der Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben aller Art gewerbliche Einkünfte. Im Jahr 2002 (Streitjahr) war K alleiniger Kommanditist der Klägerin. Er war am Vermögen der Klägerin zu 100 %, an deren Gewinn zu 60 % beteiligt. Komplementärin ohne Vermögensbeteiligung, aber mit einer Gewinnbeteiligung in Höhe von 40 %, war im Streitjahr die sich zwischenzeitlich in Nachtragsliquidation befindende E GmbH. K ist im April 2007 verstorben. In die Kommanditistenstellung des K sind im Wege der Sondererbfolge jeweils zu ½ A (Ehefrau des K) und M (Sohn des K) eingetreten. A ist sodann als Kommanditistin ausgeschieden und ihr Kommanditanteil im Wege der Sonderrechtsnachfolge auf M übergegangen, der seitdem alleiniger Kommanditist der Klägerin ist. Die E GmbH ist im Jahr 2011 aus der Klägerin ausgeschieden, die N GmbH als Komplementärin eingetreten.
Wirtschaftlich inaktive Briefkastengesellschaften
Für die Realisierung diverser Großobjekte bediente sich die Klägerin britischer Subunternehmer und berücksichtigte im Jahresabschluss für das Streitjahr Zahlungen an diese in Höhe von 950.110 € als Betriebsausgaben. Nach den Feststellungen und Auskünften der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen des Bundeszentralamts für Steuern (IZA) handelte es sich bei sämtlichen britischen Firmen um wirtschaftlich inaktive Briefkastengesellschaften/Domizilgesellschaften. Nicht im Streit stehen zwischen den Beteiligten die Gesamthöhe dieser Betriebsausgaben sowie die Umstände, dass diese Zahlungen als Gegenleistung für "Bauleistungen" i.S. des § 48 des Einkommensteuergesetzes (EStG) getätigt worden sind und die Klägerin im Jahr 2003 hierfür Bauabzugsteuer für die britischen Subunternehmer in gesetzlicher Höhe angemeldet und abgeführt hat.
Der vom Finanzamt erlassene Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) für 2002 vom 16.11.2004 erging zunächst erklärungsgemäß. Im Rahmen einer Außenprüfung stellte der Prüfer jedoch fest, dass die Zahlungen an die britischen Firmen auf wechselnde, in den Rechnungen angegebene inländische Konten erfolgt waren, bei denen es sich, ausweislich entsprechender Bankauskünfte, nicht um Geschäftskonten handelte. Ein an die Klägerin gerichtetes Benennungsverlangen zur Feststellung der aus den Zahlungen tatsächlich begünstigten Personen führte zu keinem Ergebnis. Vor diesem Hintergrund vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die im Streitjahr getätigten Zahlungen an die Subunternehmer in Höhe von 70 % (= 665.077 €) nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig seien, und erließ einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für 2002. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
FG gibt der Klage vollumfänglich statt
Mit der dagegen erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, dass die Zahlungen an die britischen Subunternehmer in vollem Umfang als Betriebsausgaben abzugsfähig seien. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit Urteil vom 13.01.2016 - 9 K 95/13 vollumfänglich statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der Bundesfinanzhof (BFH) die Vorentscheidung mit Urteil vom 07.06.2018 - IV R 11/16 wegen Verfahrensfehlern auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Im zweiten Rechtsgang hielten die Beteiligten an ihren Rechtsauffassungen fest. Das FG gab der Klage mit Urteil vom 05.02.2020 - 9 K 95/13 erneut in vollem Umfang statt. Das FG vertrat in der Sache wie schon im ersten Rechtsgang die Auffassung, dass gemäß § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG die Vorschrift des § 160 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) selbst dann nicht anwendbar sei, wenn es sich bei den britischen Subunternehmern um inaktive Domizilgesellschaften handeln sollte. Richterliche Begründung: Im Grundsatz vollziehe sich nach der Rechtsprechung des BFH das gemäß § 160 Abs. 1 Satz 1 AO auszuübende Ermessen auf zwei Stufen.
Bauabzugsteuer angemeldet und an das zuständige Finanzamt abgeführt
Bei Mitunternehmerschaften seien diese Ermessensentscheidungen unselbständige Bestandteile des Feststellungsverfahrens und könnten nur mit Rechtsbehelfen gegen die Gewinnfeststellungsbescheide angegriffen werden. Bei ausländischen Domizilgesellschaften sei der Zweck des § 160 Abs. 1 Satz 1 AO erst erreicht, wenn sichergestellt sei, dass der wirkliche Empfänger der Zahlungen entweder im Inland nicht steuerpflichtig sei oder im Inland seine steuerlichen Pflichten erfüllt habe. Im Streitfall greife jedoch § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG ein, weil die Klägerin was nicht streitig sei ihre Pflichten nach § 48 Abs. 1 EStG erfüllt und die sog. Bauabzugsteuer angemeldet und an das zuständige Finanzamt abgeführt habe. Dies gelte entgegen der Auffassung des Finanzamtes selbst dann, wenn die Zahlungen an inaktive Firmen wie Domizilgesellschaften oder Briefkastenfirmen erfolgt seien. Hierfür sprächen sowohl der Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 4, Abs. 4 Nr. 1 EStG als auch der Sinn und Zweck dieser Regelung. Mit der Einführung des Steuerabzugs an der Quelle, den der Leistungsempfänger (Auftraggeber) durchzuführen habe, sei dem Sicherungsbedürfnis des Fiskus entsprochen worden. Als Pendant gewähre der Gesetzgeber dem Auftraggeber hinsichtlich seines Betriebsausgabenabzugs Vertrauensschutz ohne Rücksicht darauf, ob die Zahlung an ein inländisches oder ausländisches, ein aktives oder ein inaktives Unternehmen erfolge. Eine Auslegung gegen den klaren Wortlaut insbesondere zum Nachteil des Steuerpflichtigen - komme nicht in Betracht. Schließlich liege auch kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes vor, weil die Beschränkung der §§ 48 bis 48d EStG auf Bauleistungsempfänger sachlich gerechtfertigt sei.
Auslegungsergebnis verstößt nicht gegen das GG
In seiner Entscheidung folgte der Bundesfinanzhof im Ergebnis dieser Auffassung und wies die Revision des Finanzamts als unbegründet zurück. Das FG habe danach zu Recht entschieden, dass der Klägerin im Rahmen des gesonderten Feststellungsverfahrens 2002 der Betriebsausgabenabzug gemäß § 48 Abs. 4 Nr. 1 EStG auch dann nicht nach § 160 Abs. 1 Satz 1 AO versagt werden darf, wenn die Zahlungen für Bauleistungen an inaktive ausländische Domizilgesellschaften erfolgt sind. Anhaltspunkte für einen Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO habe das FG nicht festgestellt. Ebenso sei der erkennende Senat nicht davon überzeugt, dass das Auslegungsergebnis zu § 48 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 1 Satz 4 EStG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 09. Juni 2022, IV R 4/20, veröffentlicht am 15.9.2022