Unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch das Finanzamt
Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofes ist eine unangekündigte Wohnungsbesichtigung durch einen Beamten der Steuerfahndung als sogenannter Flankenschutzprüfer zur Überprüfung der Angaben der Steuerpflichtigen zu einem häuslichen Arbeitszimmer rechtswidrig, wenn die Steuerpflichtige bei der Aufklärung des Sachverhalts mitwirkt.
Hintergrund
Der Flankenschützer steht in seiner Funktion zwischen Betriebsprüfer und Steuerfahnder. Seine Aufgabe ist es, unklare Sachverhalte zu ermitteln und aufzuklären. Er ähnelt mehr dem Steuerfahnder, als dem regulären Finanzbeamten und ermittelt meist verdachtsunabhängig.
Im Streitfall machte eine selbständige Unternehmensberaterin in ihrer Einkommensteuererklärung erstmals Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Auf Nachfrage des Finanzamts reichte sie eine Skizze der Wohnung ein, die der Sachbearbeiter des Finanzamts aber für klärungsbedürftig hielt. Er bat den Flankenschutzprüfer um Besichtigung der Wohnung. Dieser erschien unangekündigt an der Wohnungstür der Steuerpflichtigen, wies sich als Steuerfahnder aus und betrat unter Hinweis auf die Überprüfung im Besteuerungsverfahren die Wohnung. Die Steuerpflichtige hat der Besichtigung nicht widersprochen.
Das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen, da „bei es bei dieser Sachlage am Feststellungsinteresse fehlte“: Weder lagen eine Wiederholungsgefahr noch ein Rehabilitationsinteresse oder ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vor. Sowohl ein Eingriff in Art. 13 GG (Unverletzlichkeit der Wohnung) als auch Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens) schied nach dem Dafürhalten des Finanzgerichts aus, weil die Klägerin den Flankenschützer freiwillig hereingelassen hatte.
Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass die Besichtigung rechtswidrig war und gab der Revision statt. Zur Überprüfung der Angaben zum häuslichen Arbeitszimmer im Besteuerungsverfahren ist angesichts des in Art. 13 Abs. 1 GG verbürgten Schutzes der Unverletzlichkeit der Wohnung eine Besichtigung in der Wohnung eines mitwirkungsbereiten Steuerpflichtigen erst dann erforderlich, wenn die Unklarheiten durch weitere Auskünfte oder andere Beweismittel (z.B. Fotografien) nicht mehr sachgerecht aufgeklärt werden können. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige - so wie im Streitfall - der Besichtigung zugestimmt hat und deshalb ein schwerer Grundrechtseingriff nicht vorliegt.
Wie der BFH weiter ausführt, war die Ermittlungsmaßnahme auch deshalb rechtswidrig, weil sie von einem Steuerfahnder und nicht von einem Mitarbeiter der Veranlagungsstelle durchgeführt wurde. Denn das persönliche Ansehen des Steuerpflichtigen kann dadurch gefährdet werden, dass zufällig anwesende Dritte (z.B. Besucher oder Nachbarn) glauben, dass beim Steuerpflichtigen strafrechtlich ermittelt wird.
Fundstelle
BFH-Urteil vom 12. Juli 2022 (VIII R 8/19), veröffentlicht am 29. September 2022; BFH-Pressemitteilung Nr. 40/22 vom 29.9.2022.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.