EuGH: Zuschlag wegen Verletzung von Dokumentationspflichten mit EU-Recht vereinbar

Das Finanzgericht Bremen hatte dem Europäische Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob ein Zuschlag wegen Verletzung der Verrechnungspreis-Dokumentationspflichten mit den EU-Grundfreiheiten vereinbar ist. Der EuGH hat in seinem heutigen Urteil entschieden, dass aus den deutschen Zuschlagsregelungen kein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit abgeleitet werden kann, da diese verhältnismäßig und zur Gewährleistung der ausgewogenen Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich sind.

Sachverhalt

Die Klägerin, eine KG mit Sitz im Inland, wendet sich gegen die Festsetzung eines Zuschlags nach § 162 Abs. 4 AO für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2010 (insgesamt 80.000 Euro). Sie hielt 100% der Anteile an verschiedenen Tochtergesellschaften, an die die alleinige Gesellschafterin der Kommanditistin (die in den Niederlanden ansässige Y N.V.) Dienstleistungen erbrachte. Im Rahmen der Betriebsprüfung für die Jahre 2007-2010 wurde um Vorlage der anzufertigenden Verrechnungspreisdokumentationen gebeten. Diese konnten durch die Klägerin nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht in ausreichender Qualität vorgelegt werden. Es wurde ein Zuschlag gem. § 162 Abs. 4 AO in Höhe von 5% des Korrekturbetrags festgesetzt (20.000 Euro pro Jahr), da die vorgelegte Dokumentation nicht verwertbar gewesen sei. Die Klägerin ist der Auffassung, dass der festgesetzte Zuschlag gegen Europarecht verstoße, da dieser nur bei Steuerpflichtigen, die Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen im Ausland unterhalten, zur Anwendung kommt. Das Finanzgericht Bremen ist der Auffassung, das Finanzamt habe mit der Befugnis zu einer ungünstigen Veranlagung aus § 163 Abs. 3 AO (Schätzung) bereits ausreichende Mittel an die Hand bekommen. Ein (zusätzlicher) Zuschlag trage daher nicht mehr zu einer Vermeidung von Steuerumgehungen bei. Mehr zum Sachverhalt und folgend des Vorabentscheidungsersuchens des Finanzgerichts Bremen finden Sie in unserem Blogbeitrag vom 4. August 2021.

Entscheidung des EuGH

Der EuGH entschied, dass die Vorschrift des Artikel 49 AEUF zur Niederlassungsfreiheit den deutschen Regelungen nicht entgegensteht, sowohl hinsichtlich einer Dokumentationspflicht als auch der unwiderlegbaren Vermutung, dass die steuerbaren Einkünfte des Steuerpflichtigen im betreffenden Mitgliedstaat höher sind als die erklärten Einkünfte (hier: Schätzung von Besteuergrundlagen zu Ungunsten des Steuerpflichtigen) und der Verhängung eines Zuschlags, der mindestens 5 % und höchstens 10 % des ermittelten Mehrbetrags der Einkünfte bei einem Mindestbetrag von 5 000 Euro beträgt (…).

Zur Steuererklärungspflicht: Zwar liege in einer solchen Dokumentationspflicht ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit. Unter dem Vorbehalt der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen sei jedoch nicht ersichtlich, dass eine solche steuerliche Dokumentationspflicht über das hinausginge, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist. Die Vorlage dieser Aufzeichnungen soll, so das Verständnis des EuGH, in der Regel nur für die Durchführung einer Steuerprüfung verlangt werden und innerhalb einer Frist von 60 Tagen zu erfolgen haben, die in begründeten Einzelfällen verlängert werden kann.

Zum Steuerzuschlag: Diese Sanktionierung stellt ebenfalls eine Beschränkung dar. Die Verhängung von Sanktionen einschließlich solcher strafrechtlicher Art könne jedoch zulässig sein, so der EuGH in Bestätigung seiner Rechtsprechung, um die wirksame Einhaltung einer nationalen Regelung zu gewährleisten, allerdings unter der Voraussetzung, dass Art und Höhe der verhängten Sanktion gemessen an der Schwere der mit ihr geahndeten Zuwiderhandlung in jedem Einzelfall verhältnismäßig sind. Die Anwendung eines ausreichend hohen Aufschlags erscheint dem Gericht geeignet, Steuerpflichtige von der Missachtung der Dokumentationspflichten abzuhalten und somit zu verhindern, dass der Besteuerungsmitgliedstaat grenzüberschreitende Transaktionen wirksam kontrollieren kann, um so eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

Zur Verhältnismäßigkeit dieses Zuschlags: Ein Zuschlag von mindestens 5 % und höchstens 10 % des Mehrbetrags der Einkünfte, und zwar ohne einen absoluten Höchstbetrag und mit einem Mindestbetrag von 5 000 Euro auch in den Fällen, in denen letztlich kein Mehrbetrag der Einkünfte durch die Steuerbehörde festgestellt wurde, ist nicht unverhältnismäßig.

Schätzung als ausreichendes Sanktionsmittel? Auch der Umstand, dass bei einem Verstoß gegen die Dokumentationspflicht eine Berichtigung der steuerbaren Einkünfte zu Ungunsten des Steuerpflichtigen vorgesehen ist, könne keine andere Auslegung rechtfertigen, so der EuGH. Diese Regeln sind nicht mit denjenigen zum Steuerzuschlag vergleichbar, da sie nicht darauf gerichtet sind, eine Missachtung der steuerlichen Dokumentationspflicht zu sanktionieren, sondern darauf, die steuerbaren Einkünfte des Steuerpflichtigen zu berichtigen.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2022 (C-431/21), Finanzamt Bremen.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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