Erlasse der obersten Finanzbehörden zur Anwendung der Börsenklausel in § 1 Absatz 2c Grunderwerbsteuergesetz

Die obersten Finanzbehörden der Länder nehmen in einem koordinierten Erlass zu Anwendungs- und Auslegungsfragen zur sogenannten Börsenklausel in §1 Abs. 2c Grunderwerbsteuergesetz Stellung. Der Erlass ist auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Hintergrund

Im Zuge der Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) im Mai 2021 wurde in Ergänzung zu § 1 Absatz 2a und Absatz 2b GrEStG die Vorschrift des § 1 Absatz 2c GrEStG (zur sogenannten Börsenklausel) eingeführt. § 1 Abs. 2a und § 1 Abs. 2b GrEStG sind auf Transaktionen mit dinglicher Wirkung ab dem 01.07.2021 anwendbar, bei denen mittelbar oder unmittelbar Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften übertragen werden, wobei § 1 Abs. 2a GrEStG für Personengesellschaften und § 1 Abs. 2b GrEStG für Kapitalgesellschaften gilt. Durch die Börsenklausel sollen an nach dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) zugelassenen Börsen und äquivalenten Börsen gelistete und gehandelte Aktien für die 90%-Schwelle sowohl für Kapitalgesellschaften als auch für Personengesellschaften (bei mittelbaren Anteilsbewegungen) nicht berücksichtigt werden.

Gleich lautende Erlasse vom 4. Oktober 2022

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben sich nun in ihren gleichlautenden Ländererlassen (GLE) zu Anwendungsfragen im Hinblick auf die neue Vorschrift geäußert, im Einzelnen zu folgenden Bereichen:

1. Allgemeines

2. § 1 Absatz 2a oder Absatz 2b GrEStG

3. Voraussetzungen des § 1 Absatz 2c GrEStG

3.1 Anteile an Kapitalgesellschaften

3.2 Zum Handel zugelassene Anteile

3.3 Organisierter Markt nach § 2 Absatz 11 WpHG

3.4 Gleichwertiger Drittlandhandelsplatz

3.5 Handelsplätze in der Schweiz und Großbritannien und Nordirland

3.6 Geschäft an einem Markt nach § 1 Absatz 2c GrEStG

4. Anzeigepflicht

Die wesentlichen Aussagen der GLE:

Wertpapiere, die sich lediglich auf die Anteile an einer Kapitalgesellschaft beziehen, ohne das Eigentum an diesen Anteilen zu vermitteln - insbesondere American Depositary Receipts (ADR) - werden nicht von der Börsenklausel erfasst (Tz. 3.1).

Für die Anwendung der Börsenklausel müssen die Anteile an einem organisierten Markt nach § 2 Abs. 11 WpHG oder einem gleichwertigen Drittlandhandelsplatz zum Handel zugelassen sein. Multilaterale Handelssysteme (MTF) im Sinne des Art. 2 Abs. 1 Nr. 14 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 stellen keine organisierten Märkte nach § 2 Abs. 11 WpHG dar. Dies betrifft in Deutschland den Freiverkehr (§ 48 des Börsengesetzes). Als gleichwertige Drittlandhandelsplätze werden nur geregelte Märkte mit Sitz in den USA, Hong Kong und Australien anerkannt. Die Börsen in der Schweiz und im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland sind derzeit nicht als gleichwertige Drittlandhandelsplatz anerkannt (Tz. 3.2).

Die erstmalige Ausgabe von Anteilen bei einem Börsengang (IPO), die Ausgabe neuer Anteile infolge einer Kapitalerhöhung sowie Wertpapierleihen, - darlehen und -pensionsgeschäfte sind keine Anteilsübertragungen, die unter die Börsenklausel fallen (Tz. 3.6)

Es besteht keine Anzeigepflicht i.S.d. § 19 GrEStG, wenn durch die Anwendung der Börsenklausel das erforderliche Quorum von 90% für Zwecke des § 1 Abs. 2a oder 2b GrEStG nicht erfüllt wird (Tz. 4).

Zeitlicher Anwendungsbereich

Der Erlass ist auf alle offenen Fälle anzuwenden.

Fundstelle

Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder zur Anwendung des § 1 Absatz 2c GrEStG vom 4. Oktober 2022 (Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg, 4.10.2022, S4501-2022/009-53, FMNR202202120)

Zum Anfang