EuGH zur Umsatzsteuer bei Ausgabe von Gutscheinen für Dritteinzelhändler
Die Ausgabe von Einkaufsgutscheinen, die ein Unternehmen seinen Mitarbeitern zur Auszeichnung und Belohnung für außerordentliche Verdienste und Leistungen kostenfrei zur Verfügung stellt, fällt nicht unter Artikel 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie und kann somit nicht einer entgeltlichen Dienstleistung gleichgestellt werden. Dies hat der Europäische Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsersuchen aus dem Vereinigten Königreich festgestellt.
Hintergrund
Das vorlegende Gericht hatte den EuGH um Entscheidung darüber gebeten, ob die unentgeltliche Übergabe von Gutscheinen durch einen Steuerpflichtigen an sein Personal im Rahmen eines Mitarbeiter-Anerkennungsprogramms als eine Dienstleistung gegen Entgelt (Erbringung von Dienstleistungen „für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke“) der Mehrwertsteuer unterliegt, wie es Art. 26 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuerrichtlinie (MwStRL) verlangt.
Sachverhalt
Die Klägerin, GE Aircraft Engine Services Ltd (GEAES)) betrieb ein Mitarbeiter-Anerkennungsprogramm mit dem Namen „Above & Beyond“. Im Fall von Auszeichnungen, die in Einkaufsgutscheinen bestehen, wurde dem oder der Nominierten ein Link zu einer von der Globoforce Limited Globoforce) betriebenen Website zugesandt, einem Anbieter von Dienstleistungen im Bereich der sozialen Anerkennung.
Die Bereitstellung von Gutscheinen durch Globoforce an den Mitarbeiter erfolgte wie folgt: Zunächst erwarb Globoforce die Gutscheine direkt von den entsprechenden Einzelhändlern und veräußerte sie an GE in den Vereinigten Staaten (GE USA). GE USA veräußerte die Gutscheine dann an GE U.S Headquarters (GE HQ). Anschließend tätigte GE HQ eine grenzüberschreitende Lieferung der Gutscheine an mehrere GE‑Unternehmen im Vereinigten Königreich. Jedes dieser GE‑Unternehmen, einschließlich die Klägerin, stellte in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber die Gutscheine im Rahmen des Above & Beyond-Programms den jeweils Nominierten zur Verfügung.
Die Finanzbehörde veranlagte die Klägerin auf den Wert der im Rahmen des Above & Beyond-Programms erteilten Gutscheine. Die Steuerverwaltung war nämlich der Ansicht, dass die Mitglieder des GE‑Konzerns auf den Wert dieser Gutscheine die Mehrwertsteuer zu erklären hätten.
EuGH Entscheidung
Der EuGH legt aber Artikel 26(1) b MwStRL dahingehend aus, dass er nicht auf eine Erbringung von Dienstleistungen anwendbar ist, wonach ein Unternehmen seinen Mitarbeitern im Rahmen eines von ihm eingerichteten Programms zur Auszeichnung und Belohnung derjenigen Mitarbeiter, die sich am meisten verdient gemacht und die besten Leistungen erbracht haben, Einkaufsgutscheine kostenfrei zur Verfügung stellt.
Urteilsbegründung
Bei alleiniger Berücksichtigung der Verwendung der Einkaufsgutscheine wäre davon auszugehen, dass sie den privaten Bedarf der Mitarbeiter befriedigen. Allerdings erfolgt die Ausgabe der Einkaufsgutscheine nicht nach Maßgabe des privaten Bedarfs der Mitarbeiter, da diese nicht selbst mit Sicherheit eine Zuteilung von Gutscheinen an sich selbst erreichen können. Das Vorschlagsrecht für die Zuteilung liegt nämlich nicht bei diesen, sondern bei anderen Mitarbeitern des Unternehmens und erfolgt auf der Grundlage rein berufsbezogener Kriterien, sowie nur dann, wenn davon ausgegangen wird, dass die nominierten Mitarbeiter eine Prämie verdienen.
Ferner ist unstreitig, dass die Ausgabe der Einkaufsgutscheine durch GEAES ohne Vergütung oder jedwede Gegenleistung seitens der begünstigten Mitarbeiter erfolgt und ihre Kosten von GEAES selbst getragen werden. Diese Erbringung von Dienstleistungen verschafft dem Unternehmen jedoch einen Vorteil in Form der Aussicht auf eine Steigerung seines Umsatzes aufgrund größerer Motivation und deshalb gesteigerter Leistung seiner Mitarbeiter. Daher erscheint dem EuGH der hieraus resultierende persönliche Vorteil der Mitarbeiter als untergeordnet gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens.
Weiter stellt der EuGH - vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen - fest, dass die unentgeltliche Ausgabe der Einkaufsgutscheine durch GEAES an die nominierten Mitarbeiter auf eine Steigerung der Leistung der Mitarbeiter und damit auf das reibungslose Funktionieren sowie die Rentabilität des Unternehmens gerichtet ist. Somit erfolgen diese Dienstleistungen nicht für unternehmensfremde Zwecke und fallen nicht unter Art. 26 Abs. 1 Buchst. b MwStRL (in diesem Sinne auch das EuGH-Urteil vom 27. April 1999, Kuwait Petroleum, C‑48/97, Rn. 19).
Hinsichtlich des Umstands, dass die teilnehmenden Einzelhändler die Ausgangsmehrwertsteuer auf den Wert des Gutscheins erklären, sei aus diesem Grund auch davon auszugehen, so der EuGH abschließend, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vorliegt.
Fundstelle
EuGH, Urteil vom 17. November 2022 (C-607/20), GE Aircraft Engine Services.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.