Umsatzsteuerfreiheit von Supervisionsleistungen
Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL erfasst auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildungs-, Fortbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen beziehen, als mehrwertsteuerbefreite Dienstleistung. Die engen Maßstäbe und Anforderungen, die der EuGH für die Steuerbefreiung von Schul- und Hochschulunterricht in Art. 132 Abs. 1 Buchst. i aufgestellt hat, gelten hier nicht. Dementsprechend hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass die Supervisionsleistungen der Klägerin nach Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe j MwStSystRL-Richtlinie von der Mehrwertsteuer befreit werden können.
Hintergrund
Im Jahr 2014 erbrachte die Klägerin Supervisionsleistungen für verschiedene Geschäftskunden, die diese Leistungen für die bei ihnen beschäftigten Arbeitnehmer angefordert hatten. Die Protokolle der Supervisionssitzungen wurden von der Klägerin nicht an den Kunden ausgehändigt, um die Vertraulichkeit zu gewährleisten und zu verhindern, dass der Kunde Sanktionen gegen die teilnehmenden Arbeitnehmer verhängt. Die Klägerin fertigte Aufzeichnungen über die wichtigsten Punkte der Sitzungen an. In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2014 erklärte sie die Leistungen aus ihrer Tätigkeit als Supervisorin als umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) - als unter die "Heilbehandlung im Bereich der Humanmedizin" fallend. Das Finanzamt lehnte dies mit der Begründung ab, dass die Leistungen weder nach nationalem Recht noch nach EU-Recht von der Umsatzsteuer befreit seien.
Entscheidung des BFH
Der BFH stellte zunächst fest, dass nach nationalem Recht keine Mehrwertsteuerbefreiung besteht, da die fraglichen Betreuungsleistungen nicht als ärztliche Behandlung im Bereich der Humanmedizin zu qualifizieren sind. Es reicht nicht aus, wenn bei der Supervision medizinische Behandlungsmethoden integriert werden, auch wenn dies zu einer präventiven Gesundheitsvorsorge beitragen könnte. Die Leistungen der Klägerin sind auch nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a bb UStG (als "Leistungen von Privatschulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, die unmittelbar der Ausbildung oder Erziehung dienen, wenn sie staatlich anerkannt sind") und § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG ("Vorträge, Kurse und sonstige Darbietungen wissenschaftlicher oder pädagogischer Art, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen durchgeführt werden") von der Umsatzsteuer befreit. Für beide Arten von Steuerbefreiungen erfüllte die Klägerin nicht die entsprechenden Qualifikationsvoraussetzungen.
Die Supervisionsleistungen sind jedoch gemäß Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe j der MwStSystRL als von Lehrern privat erteilter Unterricht, der sich auf die "Schul- oder Hochschulausbildung" bezieht, von der Mehrwertsteuer befreit. Diese Bestimmung nennt eine leistungsbezogene und eine unternehmensbezogene Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Mehrwertsteuerbefreiung. Die Klägerin erfüllt die leistungsbezogenen Voraussetzungen aus den folgenden Gründen: Der Begriff "Schul- oder Hochschulunterricht" beschränkt sich nicht auf den Unterricht, der zu Prüfungen zur Erlangung von Befähigungsnachweisen führt oder der eine Ausbildung zur Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit vermittelt, sondern umfasst auch andere Tätigkeiten, die in Schulen oder Hochschulen zur Erweiterung der Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten vermittelt werden, sofern diese Tätigkeiten nicht rein freizeitorientiert sind (EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C- 473/08 Eulitz, Rn. 29).
Die Klägerin hat Sozialarbeiter, Sozialpädagogen sowie andere Mitarbeiter, die im Auftrag ihrer Arbeitgeber im Pflegebereich tätig sind, ausgebildet und weitergebildet. Zweck der Supervisionseinheiten war die Vermittlung von im Berufsalltag erforderlichen Kompetenzen und nicht die Lösung persönlicher Probleme der Teilnehmer durch eine Therapie. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts war das vorrangige Ziel der Mitwirkung des Klägers die gemeinsame Erarbeitung von Lösungen und Handlungsmustern, mit denen künftige Schwierigkeiten im beruflichen Umfeld überwunden werden sollten.
Die Klägerin war auch als "Privatlehrerin" im Sinne von Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL tätig, weil sie auf eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung und Gefahr handelte.
Fundstelle
BFH, Beschluss vom 22. Juni 2022, XI R 32/21 (XI R 6/19), veröffentlicht am 1. Dezember 2022.
Eine englische Zusammenfassung dieses Beschlusses finden Sie hier.