EuGH: Rechnungsberichtigung bei Leistungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Empfänger

Wenn in Rechnungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher ein falsch berechneter Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen wurde, dürfen die Rechnungen entsprechend berichtigt werden. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes schuldet der Aussteller den zu Unrecht in Rechnung gestellten Steuerbetrag nicht.

Hintergrund

In dem Vorabentscheidungsverfahren des Bundesfinanzgerichts in Österreich musste der EuGH einen Fall entscheiden, in dem der Steuerpflichtige fälschlicherweise ein ganzes Jahr lang mit einem zu hohen Steuersatz kalkuliert und diesen in der Rechnung ausgewiesen und abgeführt hat. Konkret: Darf der Staat diese zu hohe Mehrwertsteuer behalten, oder ist sie an den Steuerpflichtigen zurückzuzahlen? Immerhin: Die Steuer ist in dieser Höhe materiell nicht entstanden. Andererseits wurden Rechnungen mit einem zu hohen Steuerausweis erstellt, welche die Kunden zu einem zu hohen Vorsteuerabzug verleiten könnten. Müssen diese Rechnungen daher zuvor berichtigt werden? Gilt dies auch, wenn die Leistungen ausschließlich an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher ausgeführt wurden, so dass diese ohnehin keinen Vorsteuerabzug geltend machen könnten?

Wenn die Leistungsempfänger der Dienstleistungen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Endverbraucher sind, schuldet der Aussteller einer Rechnung die Mehrwertsteuer nicht, im anderen Fall schon. Die Verpflichtung, eine Korrektur zuzulassen, besteht unabhängig von der Beseitigung der dadurch entstandenen Gefährdung des Steueraufkommens, wenn der Rechnungsaussteller gutgläubig gehandelt hat, und zwar unabhängig davon, dass die Endverbraucher einen Preis bezahlt haben, der falsch kalkuliert war. So die Empfehlungen der Generalanwältin in ihren Schlussanträgen vom 8. September 2022.

Entscheidung des EuGH

In Beantwortung der ersten Vorlagefrage stellt der EuGH fest, dass der Steuerpflichtige, der in seiner Rechnung einen Mehrwertsteuerbetrag ausgewiesen hat, der auf der Grundlage eines falschen Steuersatzes berechnet wurde, den zu Unrecht in Rechnung gestellten Teil der Mehrwertsteuer nicht schuldet, wenn keine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil diese Dienstleistung ausschließlich an Endverbraucher erbracht wurde, die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Damit war die zweite Vorlagefrage gegenstandslos (zu den Vorlagefragen siehe RZ. 16 im Urteil).

Zweck des Art. 203 der MwStRL ist es, einer Gefährdung des Steueraufkommens entgegenzuwirken. Folglich, so der EuGH, komme Art. 203 dann zur Anwendung, wenn die Mehrwertsteuer zu Unrecht in Rechnung gestellt wurde und eine Gefährdung des Steueraufkommens vorliegt, weil der Adressat der in Rede stehenden Rechnung einen Vorsteuerabzug geltend machen kann. Denn in einem solchen Fall könne ein Recht auf Vorsteuerabzug ausgeübt werden, ohne dass die zuständige Steuerbehörde in der Lage wäre, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausübung dieses Rechts erfüllt sind.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2022 (C‑378/21), Finanzamt Österreich (TVA facturée par erreur à des consommateurs finals).

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