Keine körperschaftsteuerliche Organschaft mangels Rückwirkung eines notariellen Nachtragsvermerks
Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs kann die Korrektur einer Unstimmigkeit in einem Gewinnabführungsvertrag (hier: das Fehlen einer automatischen Verlängerungsklausel nach Ablauf der Mindestlaufzeit) durch einen notariellen Nachtragsvermerk jedenfalls dann keine steuerliche Rückwirkung entfalten, wenn sich der tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen selbst ergibt.
Hintergrund
Die Klägerin als Organgesellschaft und die Holding als Organträger schlossen mit notariellem Vertrag vom Dezember 1991 einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag (GAV) mit einer Laufzeit bis zum 31.12.1996. Eine Bestimmung wonach sich der Vertrag um jeweils ein weiteres Jahr verlängert, wenn er nicht 1 Jahr vor seinem Ablauf schriftlich gekündigt wird, war ursprünglich nicht vereinbart. Im September 2012 fertigte der Notar daher einen Nachtragsvermerk gemäß § 44a Abs. 2 Satz 1 und 2 des Beurkundungsgesetzes (BeurkG) und stellte darin "im Hinblick auf die in § 4 ... (GAV) - Dauer des Vertrages - enthaltene offensichtliche Unrichtigkeit des Fehlens des Absatzes 2 dieses Paragrafen richtig, dass § 4 ... (GAV) einen Absatz 2 enthält, der diese automatische Verlängerungsklausel enthält. Dieser Nachtragsvermerk wurde im September 2012 ins Handelsregister eingetragen. Das Finanzamt versagte dem GAV die steuerrechtliche Anerkennung. Die Klägerin war der Auffassung, dass der GAV eine offenbare Unrichtigkeit enthalte und sich wegen des im September 2012 erstellten Nachtragsvermerks gem. § 44a Abs. 2 BeurkG automatisch verlängert habe. Das Finanzamt ging davon aus, dass der Berichtigung keine steuerliche Rückwirkung zukomme bzw. die Voraussetzungen des § 44a Abs. 2 BeurkG nicht vorlägen. Das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen.
Entscheidung des BFH
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. In den Streitjahren bestand zwischen der Klägerin und der Holding kein steuerrechtlich wirksamer GAV und damit keine Organschaft gemäß §§ 14, 17 Körperschaftsteuergesetz (KStG); der notarielle Nachtragsvermerk führt jedenfalls steuerlich nicht zu einer rückwirkenden Heilung dieses Mangels. Wie schon zuvor das Finanzgericht, ist auch der BFH der Auffassung, dass die Vertragslaufzeit wegen fehlender Verlängerung abgelaufen war.
Für den BFH lässt sich der GAV nicht in der Weise auslegen, dass er über den 31.12.1996 hinaus wirksam sein sollte. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Vertrag insofern unstimmig ist, als § 4 GAV die Absätze 1, 3 und 4 enthält, jedoch keinen Absatz 2. Zwar mag in Betracht kommen, dass eine weitere Regelung in § 4 GAV und womöglich eine Verlängerungsmöglichkeit für den Vertrag gewollt war. Ebenso ist aber nicht ausgeschlossen, so die Richter, dass eine Verlängerung des Vertrags nicht beabsichtigt war und die Absätze 3 und 4 versehentlich in den Vertrag aufgenommen worden sind. Insoweit kann die Frage, ob § 4 GAV einen Absatz 2 enthalten sollte und welchen Inhalt dieser hätte haben sollen, aus dem GAV heraus nicht durch Auslegung ermittelt werden.
Die Korrektur einer Unstimmigkeit in einem Gewinnabführungsvertrag durch einen notariellen Nachtragsvermerk entfaltet jedenfalls dann keine steuerliche Rückwirkung, wenn sich der tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen heraus ergibt.
Ob im vorliegenden Fall eine nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG berichtigungsfähige offensichtliche Unrichtigkeit vorliegt, ist nach Ansicht des BFH zu bezweifeln. Denn "offensichtlich" sei hier allenfalls die beschriebene Unstimmigkeit des § 4 GAV in der beurkundeten Fassung durch das Fehlen eines Absatzes 2, nicht aber auch der von den Vertragsparteien stattdessen tatsächlich gewollte Vertragsinhalt. Der Amtsnachfolger des beurkundenden Notars hat mit dem Nachtragsvermerk versucht, eine aus seiner Sicht bestehende Vertragslücke zu füllen, ohne dass die Vertragsurkunde dahingehend zumindest andeutungsweise einen bestimmten Erklärungsinhalt hat erkennen lassen.
Jedenfalls, so der BFH abschließend, kann ein Jahre später gefertigter Nachtragsvermerk nicht dazu führen, dass ein zuvor nach den Kriterien der objektivierten Auslegung als nach dem Willen der Vertragsparteien als beendet anzusehender GAV rückwirkend wieder "auflebt" und zur Grundlage für eine organschaftliche Einkommenszurechnung wird. Eine steuerliche Rückwirkung würde dem Rechtsgedanken des § 38 der Abgabenordnung (AO) widersprechen, dem zufolge die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 13. Juli 2022 (I R 42/18), veröffentlicht am 15. Dezember 2022.