Umsatzsteuer: Steuerfreie Beförderung von kranken und verletzten Personen
Die Beförderung kranker oder verletzter Personen oder solcher mit Behinderung durch einen hierfür anerkannten Unternehmer ist als "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung" i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei. Dies hat der Bundesfinanzhof in einem aktuellen Urteil entschieden.
Hintergrund
Im Streitfall ging es um die Frage, ob die Beförderung von kranken Personen nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) und/oder der MwStSystRL als steuerfrei zu behandeln ist. Der Kläger sowie später eine GmbH betrieben ein Unternehmen für die Beförderung von alten und kranken Personen. Zur Beförderung wurden unterschiedliche Fahrzeuge eingesetzt. Die erteilten Genehmigungen galten "nur für Fahrgäste, die auf Grund ihrer körperlichen, geistigen und/oder seelischen Verfassung zur Einrichtung, Behandlung, Therapie, Arbeitsstätte, Krankenhaus, Arzt etc. und/oder zurück gefahren werden müssen, evtl. im Rollstuhl sitzend oder im nicht qualifizierten Liegendtransport, einschließlich Begleitpersonen".
Das Finanzamt war der Auffassung, die Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG lägen nur teilweise vor. Der Kläger und die GmbH hätten Beförderungen von kranken und verletzten Personen nicht nur mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind, durchgeführt, sondern mit Fahrzeugen verschiedener Kategorien. Das Finanzgericht hatte die Klage im Wesentlichen abgewiesen.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision des Klägers unter gleichzeitiger Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung stattgegeben.
Die Personenbeförderungen sind nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei. Diese Steuerbefreiung knüpft an leistungs- und an personenbezogene Voraussetzungen an: Um als eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden angesehen werden zu können, muss die betreffende Leistung für die der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit unterfallenden Umsätze unerlässlich sein (vgl. EuGH-Urteil Finanzamt D vom 08.10.2020 - C-657/19, Rz 31). Ferner muss es sich um eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen handeln, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen erbracht werden, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit im Wesentlichen sozialem Charakter anerkannt worden sind
Gegenstand der Personenbeförderung des Klägers und der GmbH war - entsprechend der ihnen jeweils erteilten Genehmigung - ausschließlich der Transport kranker oder verletzter Personen oder solcher mit Behinderung. Ob die beförderten Personen aufgrund ihrer körperlichen, geistigen und/oder seelischen Verfassung ggf. der Begleitung durch einen Dritten bedurften, ist dabei unerheblich. Die Beförderungsleistung beschränkte sich nicht auf den bloßen Transport dieser Personen. In den Fahrzeugen wurden vielmehr u. a. ein Notfall-Set sowie Sauerstoff vorgehalten. Ob die Leistungen daneben die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. p MwStSystRL erfüllen („von ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen durchgeführte Beförderung von kranken und verletzten Personen in dafür besonders eingerichteten Fahrzeugen“), ist insoweit unerheblich. Denn gerade im Zusammenhang mit eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Leistungen können sich Überschneidungen mit anderen Steuerbefreiungen ergeben.
Der Kläger und die GmbH sind Einrichtungen, die im Inland als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt sind. Der Begriff "Einrichtung" ist grundsätzlich weit genug, um auch natürliche Personen wie den Kläger.
Soweit der Kläger oder die GmbH aber nach den Feststellungen des Finanzgerichts auch Essenscontainer oder Medikamente transportiert haben, ist für den BFH kein Befreiungstatbestand ersichtlich. Das Finanzgericht hat zur Höhe der betreffenden Umsätze keine Feststellungen getroffen. Diese sind nachzuholen. Dabei muss auch der Frage einer Privatverwendung von Fahrzeugen und Telefonen nachgegangen werden.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 24. August 2022 (XI R 25/20), veröffentlicht am 22. Dezember 2022.