Auslegung der Vorschrift über die zeitliche Anwendbarkeit von § 4f EStG (Schuldübernahme einer Pensionsverpflichtung gegen Entgelt)
Das Finanzgericht Münster hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass die Vorschrift über die zeitliche Anwendbarkeit von § 4f EStG (§ 52 Abs. 12c EStG in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz vom 18. Dezember 2013, BGBl. I 2013, 4318) so auszulegen ist, dass § 4f EStG keine Anwendung findet, wenn die Verpflichtungsübernahme, der Schuldbeitritt oder die Erfüllungsübernahme, welche die Rechtsgrundlage für den in Rede stehenden Aufwand ist, in einem Wirtschaftsjahr des Steuerpflichtigen vereinbart wurde, das spätestens am 28. November 2013 endete.
Hintergrund
Die Anwendungsregelung lautet:
"§ 4f in der Fassung des Gesetzes vom 18. Dezember 2013 (BGBl. I S. 4318) ist erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 28. November 2013 enden."
Sachverhalt
Im Streitfall hatte die Klägerin, die ein kalenderjahrgleiches Wirtschaftsjahr hatte, mit ihrer 100%-igen Enkelgesellschaft, der "Pensionsgesellschaft" des Konzerns, im Wirtschaftsjahr 2012 eine Vereinbarung über einen Schuldbeitritt der Pensionsgesellschaft zu den Pensionsverpflichtungen getroffen, die die Klägerin gegenüber ihren Mitarbeitern eingegangen war. Das hierfür an die Pensionsgesellschaft zu zahlende Entgelt berücksichtigte die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2012.
§ 3 Abs. 3 des Beitrittsvertrags sah einen Anpassungsmechanismus im Hinblick auf das von der Klägerin für den Schuldbeitritt zu entrichtende Entgelt vor, der zur Anwendung kommen sollte, falls sich das das unterstellte Zinsniveau (durchschnittlicher Marktzinssatz der vergangenen 7 Jahre bei einer angenommenen Restlaufzeit von 15 Jahren gemäß § 253 Abs. 2 S. 2 HGB) im Rahmen eines 10-Jahres-Betrachtungszeitraums ab Vertragsunterzeichnung um mehr als 1 % verändern würde.
Ein im Streitjahr 2013 beauftragter Gutachter prognostizierte eine solche Veränderung zum 31. Dezember 2019 gegenüber dem 31. Dezember 2014. Daher schlossen die Klägerin und die Pensionsgesellschaft im Streitjahr eine Nachtragsvereinbarung über eine rückwirkende Erhöhung des Entgelts für den Schuldbeitritt um 368.779,60 Euro. Einen entsprechenden Aufwand berücksichtigte die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 2013.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, der Aufwand sei gem. § 4f Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) auf das Streitjahr und die nachfolgenden 14 Jahre zu verteilen.
Richterliche Entscheidung
Das Finanzgericht Münster gab der Klage gegen die nach Betriebsprüfung geänderten Bescheide statt und erkannte den sich aus der Nachtragsvereinbarung ergebenden Aufwand der Klägerin für die Erhöhung des Entgelts in voller Höhe als im Wirtschaftsjahr 2013 abziehbar an. § 4f EStG sei auf die streitgegenständliche Beitrittsvereinbarung nicht anzuwenden, da diese im Wirtschaftsjahr 2012 abgeschlossen worden sei.
Das Finanzgericht stützt seine Rechtsauffassung auf die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/68, S. 76, wonach die Vereinbarung des Schuldbeitritts in einem Wirtschaftsjahr, das nach dem 28. November 2013 endet, maßgeblich ist, so dass es - entgegen der Ansicht des Finanzamts - für die Anwendung des § 4f EStG nicht ausreicht, dass der Aufwand in einem nach dem 28. November 2013 endenden Wirtschaftsjahr angefallen ist.
Die Anwendungsregelung in § 52 Abs. 12c EStG müsse, so das Finanzgericht, im Zusammenhang mit der materiellen Rechtsfolge des § 4f Abs. 1 Satz 1 EStG gelesen werden, nämlich der Verteilung des Aufwands auf das Wirtschaftsjahr der Schuldübernahme (bzw. vorliegend des Schuldbeitritts) und die darauffolgenden 14 Jahre. Daraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber - entsprechend der Gesetzesbegründung - die Anwendung des § 4f EStG davon abhängig gemacht habe, dass die Schuldübernahme (bzw. der Schuldbeitritt) in einem nach dem 28. November 2013 endenden Wirtschaftsjahr vereinbart worden sei.
Eine nachträgliche Erhöhung des Entgelts für die Schuldübernahme (bzw. den Schuldbeitritt) sei für Zwecke der Anwendung des § 4f EStG ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abgabenordnung (AO). Daraus ergebe sich jedoch nicht, dass § 4f EStG auch dann anzuwenden sei, wenn die Schuldübernahme (bzw. der Schuldbeitritt) bereits in einem vor dem 28. November 2013 beendeten Wirtschaftsjahr vereinbart worden sei.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 19. September 2022 (11 K 2928/19 F); die Revision ist beim BFH unter dem Az. IV R 27/22 anhängig.