Wechselseitige Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen (Anteilsrotation) unter Wert

Ein "Verlust" i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 EStG, der im Zuge einer Anteilsrotation lediglich wegen der Vereinbarung eines den Wert des veräußerten Anteils krass verfehlenden Kaufpreises entsteht, führt zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil und stellt einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AO) dar (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 07. Dezember 2010, IX R 40/09). Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Streitig ist, ob ein vom Kläger erlittener Verlust aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft bei seinen Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG)) zu berücksichtigen ist oder ob der Verlust wegen eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO)) der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden kann.

Der Kläger ist Gründungsgesellschafter der mit einem Stammkapital von 260.000 € ausgestatteten X-GmbH und zur Hälfte am Kapital der Gesellschaft beteiligt. Neben dem Kläger war im Streitjahr (2017) auch A zur Hälfte am Stammkapital der X-GmbH beteiligt. Sowohl der Kläger als auch A waren zu Geschäftsführern der X-GmbH bestellt.

Am 27. Dezember 2017 schloss der Kläger mit A einen privatschriftlichen Kauf- und Abtretungsvertrag über Geschäftsanteile, mit dem er seinen Geschäftsanteil an der X-GmbH in Höhe von 130.000 € an A zum Kaufpreis von 12.500 € veräußerte und "mit allen Rechten und Pflichten" an A abtrat. A nahm die Abtretung "zum 23. Dezember 2017" an. Der auf den vom Kläger veräußerten Geschäftsanteil entfallende Gewinn des laufenden Geschäftsjahres sowie auf den verkauften Geschäftsanteil entfallende noch nicht verteilte Gewinne früherer Geschäftsjahre sollten dem Käufer (A) zustehen. Am selben Tag übertrug auch A seinen Geschäftsanteil durch privatschriftliche Einigung und Abtretung zu gleichen Konditionen auf den Kläger; dieser hatte den Kaufpreis für die von A erworbenen Geschäftsanteile bereits am 22. Dezember 2017 überwiesen.

Am 30. Januar 2018 schlossen der Kläger und A (erneut) einen ‑nunmehr notariell beurkundeten‑ "Vertrag über den Verkauf und die Abtretung eines Geschäftsanteils einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung", mit dem der Kläger ‑unter identischen vertraglichen Bedingungen‑ seinen Geschäftsanteil an der X-GmbH an A veräußerte und abtrat.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger einen Verlust aus der Veräußerung seines Geschäftsanteils an der X-GmbH i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 EStG in Höhe von (Veräußerungspreis 12.500 € ./. Anschaffungskosten 500.000 € = 487.500 € x 60 % =) 292.500 € geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 28. Dezember 2018 schon deshalb nicht an, weil der notariell beurkundete Vertrag über die Veräußerung und Abtretung der Geschäftsanteile nicht im Streitjahr, sondern erst im Jahr 2018 geschlossen worden sei.

Die Klage vor dem Sächsischen Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Eine Berücksichtigung des vom Kläger geltend gemachten Verlusts aus der Veräußerung im Streitjahr kommt nicht in Betracht.

Die vom Kläger und seinem Mitgesellschafter A vorgenommene (wechselseitige) Veräußerung der Geschäftsanteile an der X-GmbH stellt einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i.S. des § 42 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 AO dar.

Die X-GmbH war nach den bindenden Feststellungen des Finanzgerichts im Zeitpunkt der Veräußerung wirtschaftlich erfolgreich. So wies der Jahresabschluss der X-GmbH zum 31. Dezember 2017 ein Eigenkapital in Höhe von mehr als 291.000 € aus, welches sich zum 31. Dezember 2018 sogar noch auf über 317.000 € erhöhte.

Sowohl im Streitjahr wie auch im Folgejahr und in den Vorjahren erzielte die X-GmbH positive Jahresüberschüsse, die die Gesellschaft für Gewinnausschüttungen (im Streitjahr in Höhe von 134.745,55 €) nutzte. Überdies bezog der Kläger ein Geschäftsführergehalt im Streitjahr in Höhe von 93.955 €, sein Mitgesellschafter A ein Geschäftsführergehalt in Höhe von 97.314 €.

Diese wirtschaftlichen Kennzahlen lassen nicht den Schluss zu, dass der von den Vertragsbeteiligten vereinbarte Kaufpreis in Höhe von (jeweils) 12.500 € auch nur annähernd dem Wert der veräußerten Geschäftsanteile im Veräußerungszeitpunkt entsprach.

Zu Recht ist das Finanzgericht in diesem Zusammenhang davon ausgegangen, dass sich bei der dargestellten Ertragslage der X-GmbH der Ansatz eines etwaigen "Liquidationserlöses" in Höhe des Mindeststammkapitals gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG als maßgeblicher Gesamtwert der veräußerten Kapitalgesellschaftsanteile verbiete. Substantielle Einwendungen hiergegen hat der Kläger im Revisionsverfahren nicht erhoben.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die an der Anteilsrotation beteiligten Vertragsparteien ‑der Kläger und A‑ die jeweilige Übertragung ihres Anteils unter Wert nur deshalb vorgenommen haben, weil sie im Gegenzug hierfür (zivil-)rechtlich zwar einen "anderen", wirtschaftlich gesehen jedoch einen wertidentischen Kapitalgesellschaftsanteil zu einem dem realen Wert nicht entsprechenden Kaufpreis zurückerhalten haben.

Derartige gegenläufige (oder ringförmige) Rechtsgeschäfte werden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BFH-Urteile vom 08. März 2017, IX R 5/16 und vom 31. Juli 1984, IX R 3/79) als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn sie keine verständliche wirtschaftliche Veränderung bewirken (und auch nicht bewirken sollen).

Vor diesem Hintergrund ist die Wertung des Finanzgerichts, dass die im Streitfall zu beurteilende Anteilsrotation unter Vereinbarung eines den Wert des veräußerten Wirtschaftsguts krass verfehlenden Kaufpreises zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt und mithin einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstellt, von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Schwelle zur Unangemessenheit (§ 42 Abs. 2 Satz 1 AO) und damit zum Rechtsmissbrauch ist im Streitfall ohne jeden Zweifel überschritten.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 20. September 2022 (IX R 18/21), veröffentlicht am 26. Januar 2023.

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