Veräußerung eines Dividendenanspruchs zwischen beschränkt Steuerpflichtigen

Die Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG für die Besteuerung der Dividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG tritt nach der im Jahr 2013 geltenden Fassung auch dann ein, wenn der Gewinn aus der Veräußerung der Dividendenansprüche bei beschränkt Steuerpflichtigen gemäß § 49 EStG nicht steuerpflichtig ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein inländisches Kreditinstitut. Sie verwahrte und verwaltete in dem Streitzeitraum April und Mai 2013 zu den jeweiligen Dividendenstichtagen verschiedene Wertpapiere nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 des Kreditwesengesetzes für das in Großbritannien ansässige Kreditinstitut AB, einer Aktiengesellschaft nach dem Recht Großbritanniens.

AB veräußerte jeweils mit auf den Tag der Einlieferung der Aktien in das Depot datierten Verträgen die künftigen Dividendenansprüche für das Geschäftsjahr 2012 an die Londoner Niederlassung AC, einer Kapitalgesellschaft nach dem Recht des US-Bundesstaats X. Als Kaufpreis waren zwischen 93 % und 97 % der zu erwartenden "Brutto-Dividenden" zu zahlen. Gleichzeitig wurde der jeweilige Anspruch auf die Auszahlung der Dividende abgetreten. Sämtliche Verträge enthielten hinsichtlich der Zusicherungen der Veräußerin identische Formulierungen. Danach übernahm AB weder die Verantwortung oder Haftung dafür, dass die Forderung in voller Höhe des Bruttodividendenbetrags entstand, noch für die Bonität und die Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft nach dem Entstehen der Forderung.

Gegenüber der Klägerin wurde die Abtretung jeweils angezeigt. In den Abtretungsanzeigen wurde sie angewiesen, die zu erwartende Dividende auf ein Konto der AC auszuzahlen.

Die Klägerin reichte Kapitalertragsteuer-Anmeldungen für April und Mai 2013 ein, die die Ausschüttungen aller an die AC abgetretenen Dividendenzahlungen umfassten, und legte gegen diese Einspruch ein, der erfolglos blieb.

Die Klage vor dem Hessischen Finanzgericht hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.

Das Finanzgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht als zulässig angesehen. Die Klägerin ist als Steuerentrichtungspflichtige befugt, gegen die auf ihren eigenen Anmeldungen beruhenden, unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Festsetzungen (§ 168 Satz 1 AO) der Kapitalertragsteuer zu klagen und diese auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüfen zu lassen (vgl. BFH, Beschluss vom 12. April 2022, VIII R 35/19, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2022, 1024, Rz. 16 ff., m.w.N.).

Das Urteil ist jedoch aufzuheben, da das Finanzgericht rechtsfehlerhaft die Klage als unbegründet abgewiesen hat. Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts war die Klägerin als die Kapitalerträge auszahlende Stelle bei Auszahlung der Dividenden an AC nicht zum Abzug und zur Abführung der Kapitalertragsteuer und des hierauf entfallenden Solidaritätszuschlags nach § 44 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a EStG verpflichtet, da AB als Anteilseignerin der Aktien i.S. des § 20 Abs. 5 EStG keine steuerbaren Dividendeneinkünfte i.S. des § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt hat. Rechtsgrund hierfür ist, dass nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG der Gewinn der AB aus der Veräußerung der Dividende an AC an die Stelle der Besteuerung der Dividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG getreten ist und dieser nicht unter die beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte nach § 49 EStG fällt.

Die Sperrwirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG für die Besteuerung der Dividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG tritt nach der im Jahr 2013 geltenden Fassung auch dann ein, wenn der Gewinn aus der Veräußerung der Dividendenansprüche bei beschränkt Steuerpflichtigen gemäß § 49 EStG nicht steuerpflichtig ist.

Die Veräußerung des Dividendenanspruchs ist kein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO, da diese in § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG vom Gesetzgeber geregelt ist.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 15. November 2022 (VIII R 21/19), veröffentlicht am 2. März 2023.

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