Der ewige Urlaubsanspruch?

Das Bundesarbeitsgericht unterstrich mit einem Urteil vom 20. Dezember 2022 die Wichtigkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs im Sinne des Bundesurlaubsgesetz – mit signifikanten Folgen für deutsche Arbeitgeber:innen.

BAG-Urteil zur Verjährung von Urlaubsansprüchen birgt Risiken für Arbeitgeber:innen

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) unterstrich mit seinem Urteil 9 AZR 266/20 vom 20. Dezember 2022 die Wichtigkeit des gesetzlichen Mindesturlaubs im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) – mit signifikanten Folgen für deutsche Arbeitgeber:innen.

Zuvor war bereits gängige Rechtslage, dass der gesetzliche Anspruch von Arbeitnehmer:innen auf bezahlten Jahresurlaub der Verjährung unterliegt. Das BAG stellt nun jedoch klar, dass die dreijährige Verjährungsfrist erst am Ende des Kalenderjahres beginnt, in dem Arbeitgeber:innen ihre Arbeitnehmer:innen über ihren konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und Arbeitnehmer:innen den Urlaub dennoch trotz Aufforderung aus freien Stücken nicht genommen haben. Mit anderen Worten: Ohne eine entsprechende Belehrung und Aufforderung kann der Urlaubsanspruch nicht verjähren.

Praxishinweise

Für deutsche Arbeitgeber:innen bedeutet dies: mussten sie bereits in der Vergangenheit sicherstellen, dass Arbeitnehmer:innen gegen Ende des Jahres über die Höhe des verbleibenden Urlaubs sowie den drohenden Verfall der Urlaubsansprüche hingewiesen und zur zeitnahen Inanspruchnahme derselben aufgefordert werden, so fällt das finanzielle Risiko einer Nichteinhaltung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit nun ungleich höher aus. Dies gilt nicht nur für aktuell Beschäftigte, sondern auch im Hinblick auf bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer:innen, die ausstehende Urlaubsabgeltung nun einzufordern könnten.

Zwar lässt sich die Einhaltung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit nachholen, allerdings beginnt damit nur der Lauf der Verjährung. Das Risiko der Inanspruchnahme für die Vergangenheit bleibt für die folgenden drei Jahre (beginnend am Ende des Jahres, in dem der Hinweisobliegenheit nachgekommen wurde) erhalten. Dabei ist zu beachten, dass die Rechtsprechung Urlaubsansprüche aus der Vergangenheit in zeitlich unbegrenztem Umfang erfasst. Es sind also auch solche Ansprüche umfasst, die vor der erstmaligen Erwähnung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit durch den EuGH im Jahr 2018 erdient worden sind.

Die Nachholung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit hat unter Nennung der nicht genommenen Urlaubstage zu erfolgen. Damit verursacht das Urteil des BAG weiteren Verwaltungs- und Nachforschungsaufwand für Unternehmen.

Unternehmen müssen daher künftig die Einhaltung der Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit gegenüber Arbeitnehmer:innen in jedem Jahr konsequent sicherstellen und den Verjährungslauf aufzeichnen, um gegen verspätete Forderungen von Arbeitnehmern gerüstet zu sein. Hier empfehlen wir unseren Mandanten:innen, dies in einen umfassenden HR-Compliance-Prozess einzubetten.

Dr. Nicole Elert, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Partnerin der PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Thomas Peter, Rechtsanwalt in der Praxisgruppe Arbeits- und Sozialversicherungsrecht bei PwC Legal AG

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