Steuerliche Abschreibung von Gasnetzen infolge der Entscheidung der 9. Beschlusskammer der BNetzA

Die Beschlusskammer 9 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen hat gegenüber allen Betreibern von Gasversorgungsnetzen i.S.d. § 3 Nr. 7 EnWG am 08. November 2022 beschlossen, dass die ab 2023 aktivierten Investitionen der Gasnetzbetreiber bis 2045 kalkulatorisch abgeschrieben werden können.

Damit soll der regulatorische Rahmen an die politischen Klimaziele (über 2045 hinaus soll die Wärmeversorgung der Haushalte nicht mehr mit Gasheizungen erfolgen) angepasst werden. Insofern besteht die Möglichkeit, dass für zukünftige Gasnetz-Investitionen kürzere kalkulatorische Nutzungsdauern gewählt werden können, sodass Gasnetz-Anlagen kalkulatorisch vollständig bis 2045 abgeschrieben werden können.

Aus handelsbilanzieller Sicht erscheint es begründbar, die Abschreibungsdauer für Investitionen ab 2023 ebenso wie die der vorhandenen Gasnetze einschließlich aktueller und weiterer Ertüchtigungen/Instandhaltungen/Nachaktivierungen, in Anlehnung an das Vorsichtsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) und ggf. durch Anpassung der Abschreibungspläne, auf diesen Zeitpunkt (31. Dezember 2045) zu begrenzen.

Fraglich ist indes, ob diese faktische Verkürzung der Nutzungsdauer auch in der Steuerbilanz möglich ist. Gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 EStG richtet sich die Abschreibung nach der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer. Die Nutzungsdauer dient im Steuerrecht unter anderem dazu, Anschaffungskosten mittels Abschreibung auf die Dauer der Nutzung zu verteilen. Als Hilfestellung gibt es dafür von der Finanzverwaltung veröffentlichte Tabellen, die die regelmäßige Nutzungsdauern diverser Wirtschaftsgüter schätzen. Die in den AfA-Tabellen genannte betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer soll jedoch nur eine Leitlinie und einen Anhaltspunkt zur Angemessenheit der Abschreibung geben. Demzufolge sind die dort niedergelegten Nutzungsdauern nicht final bindend und können individuell abweichend begründet werden.

Die AfA-Tabelle typisiert die Nutzungsdauer für Gasnetze weiterhin auf 20 Jahre. Derzeit geht die Finanzverwaltung in den amtlichen AfA-Tabellen hierbei für Gasnetzes nicht davon aus, dass ab dem Jahr 2045 diese keiner weiterführenden Nutzung zugeführt werden können, sodass eine Verkürzung aktuell (zumindest) aus Sicht der Finanzverwaltung nicht geboten ist. Eine unabgestimmte Verkürzung dieses Zeitraums würde daher höchstwahrscheinlich eine Beanstandung durch die Finanzverwaltung nach sich ziehen, weil hierdurch eine geringere Steuerlast entstehen würde. Zwar ist denkbar, dass die Finanzverwaltung argumentiert, dass die Gasnetze nach Auslaufen der Nutzung für Gaslieferungen einer anderweitigen Nutzung zugeführt werden können. Teile der Infrastruktur könnten beispielsweise für die Etablierung eines zukünftigen Wasserstoffnetzes umgerüstet werden. Dem kann jedoch für aktuelle Veranlagungszeiträume entgegengehalten werden, dass keineswegs sichergestellt ist, dass diese Nutzungsart wirklich wirtschaftlich sinnvoll auführbar ist. In vielen Fällen wird es wahrscheinlich nicht möglich oder sinnvoll sein, weshalb in erheblichem Umfang mit Stilllegung und Rückbau zu rechnen ist. Im Ergebnis sehen wir hier gute Argumenten eine entsprechende Verkürzung der Nutzungsdauern zu verargumentieren.

Vor dem Hintergrund dieser guten Argumentationsgrundlagen sollten Gasnetzbetreiber daher ihre Steuerplanungsrechnungen überprüfen und hierbei in Betracht ziehen, für künftige Investitionen (Jahresscheiben) in Gasnetze für steuerliche Zwecke (auch) von einem auf den 31.12.2045 begrenzten Zeitraum abzustellen.

Veit Lichtenegger

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