Relevante Beteiligung gemäß § 17 Abs. 1 EStG an einer "US-Corporation"
In der Frage, inwieweit eine Corporation" nach US-amerikanischem Recht einer deutschen Kapitalgesellschaft entspricht, nimmt der Bundesfinanzhof in seinem aktuellen Urteil den sogenannten Typenvergleich vor. Die Richter begründen des Weiteren, wie die Relevanzschwelle von 1% im Sinne des § 17 Abs. 1 EStG konkret zu ermitteln ist.
Hintergrund
Streitig war, wie die Relevanzschwelle des § 17 Abs. 1 EStG bei einer "Corporation", die nach dem Recht von Delaware/USA gegründet wurde, zu ermitteln ist. Der BFH hatte eine Konstellation zu beurteilen, in der es keine Eintragung einer Niederlassung in das deutsche Handelsregister gibt. Insofern war die Frage, ob die ausländische Gesellschaft einer deutschen GmbH oder einer AG vergleichbar ist. Zweitens hängt die im Streitfall zu beurteilende weitere Frage, ob eine wesentliche Beteiligung “ i. S. von § 17 EStG vorliegt davon ab, welches die maßgebliche Bezugsgröße für das „Kapital“ der Gesellschaft ist, hier: einer Inc. mit Sitz in Delaware/USA (die zunächst in England und dann in den USA börsennotiert und bei der US-amerikanischen Börsenaufsichtsbehörde (SEC) registriert war).
Sachverhalt
Der Kläger (R) war Alleingesellschafter der S-GmbH. Diese Anteile veräußerte er an die Z-Unternehmensgruppe und erhielt neben der Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 2.282.597 € im Tausch 1 296 165 Anteile an der Z-Inc. mit Sitz in Delaware/USA. Die Anschaffungskosten der Anteile betrugen 1.560.972 €. - Nach einer Verschmelzung und dem letzten bei der SEC hinterlegten Jahresbericht der Z-Inc. zum 31.12.2009 und der veröffentlichten Bilanz zu diesem Stichtag betrugen die "authorized shares" 150 000 000 Stammaktien zu je 0,0001 USD (zuzüglich 1 000 000 Vorzugsanteile zu je 0,0001 USD) und die "issued and outstanding shares" 37 277 808 Anteile.
Das FA ging davon aus, dass der erzielte Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf der Z-Inc.-Anteile zu 60 % steuerpflichtig sei. Denn die Beteiligung von 1 296 165 Anteilen sei nicht auf das Nominalkapital von 150 000 000 Anteilen zu beziehen, sondern auf die ausgegebenen 37 224 215 Anteile, die sich aus dem "Agreement and Plan of Merger" und der Bilanz zum 31.12.2009 ergäben. - R machte geltend, es liege keine relevante Beteiligung i.S. des § 17 EStG vor. Nach dem Tausch habe er 1 296 165 Stück Aktien von insgesamt 150 000 000 ("authorized share capital") erworben; dies entspreche einer Beteiligung von 0,86 % am Nominalkapital.
Entscheidung des BFH
Nachdem zuvor das Finanzgericht die Klage abgewiesen hatte, wies auch der BFH die Revision des Klägers als unbegründet ab. Die Entscheidung des Finanzgerichts, R sei innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Z-Inc. zu mindestens 1 % beteiligt gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Anteile an einer "Corporation" nach US-amerikanischem Recht gehören zu den ähnlichen Beteiligungen i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 3 EStG. Die Gesellschaft ist nach Maßgabe des sog. Typenvergleichs einer deutschen Aktiengesellschaft vergleichbar.
§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG knüpft typisierend an die Höhe der nominellen Beteiligung am Grund- oder Stammkapital der (inländischen) Kapitalgesellschaft an; bei Auslandskapitalgesellschaften ist auf eine entsprechende Bezugsgröße abzustellen, die die kapitalmäßige Beteiligung des Gesellschafters in vergleichbarer Weise wiedergibt. Diese Bezugsgröße muss bei Auslandskapitalgesellschaften, die nicht dem deutschen Gesellschaftsrecht unterliegen, Auskunft über das tatsächlich übernommene Gesellschaftskapital geben. Maßgeblich ist, welchen Beitrag der Gesellschafter zu dem durch Einlagen gebildeten Gesellschaftsvermögen erbracht hat; damit korrespondiert sein Anspruch auf Beteiligung an der Substanz der Kapitalgesellschaft. Auf eine Größe, die dem genehmigten Kapital nach deutschem Recht entspricht, kann in diesem Zusammenhang auch dann nicht abgestellt werden, wenn sie sich als einzige aus einem öffentlichen Register ergibt.
Des Weiteren schließt sich der BFH den Schlussfolgerungen des Finanzgerichts an, wonach das in der Satzung und in den Gründungsunterlagen genannte und bei der Registrierung angegebene "authorized capital" als genehmigtes Kapital nur die Anzahl der Aktien festlege, die von der Gesellschaft ausgegeben werden dürften. Diese Anzahl gebe aber keine Auskunft oder Gewissheit darüber, dass die Gesellschaft in dieser Höhe auch mit Kapital ausgestattet bzw. dass mit einer Kapitalaufbringung in dieser Höhe zu rechnen sei. Das "authorized capital" gebe auch keinen Hinweis auf die Höhe des Kapitals, an dem der Gesamtheit der Aktionäre die Gesellschafterrechte (Dividendenbezug, Teilhabe am Liquidationserlös) zustünden, da nicht erkennbar sei, inwieweit Aktien tatsächlich ausgegeben und gezeichnet worden seien. Das lasse sich nur aus den Angaben zu den "issued and outstanding shares" ersehen. Allein den Inhabern dieser Anteile stünden die maßgeblichen Rechte eines Aktionärs zu.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 14. Februar 2023 (IX R 23/21), veröffentlicht am 6. April 2023.