Kapitalertragsteuer in Liquidationsfällen (§ 43b Abs. 1 Satz 4 EStG)

Das Finanzgericht Köln hatte in einem aktuellen Urteil zu einem Verfahren zur Vereinbarkeit des § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG mit den Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie zu entscheiden.

Sachverhalt

Klägerin ist eine luxemburgische Aktiengesellschaft (société anonyme), die im Jahr 2013 zwei Ausschüttungen ihrer in Liquidation befindlichen deutschen Tochter-GmbH bezog (Beteiligung = 100%).

Auf Antrag der Klägerin erteilte das BZSt einen Freistellungsbescheid vom 17. November 2016, der nur eine Reduktion der Kapitalertragsteuer auf 10% vorsah, und berief sich auf Art. 13 Abs. 4 DBA-Luxemburg 1958. Den Einspruch gegen den Freistellungsbescheid wies das BZSt am 12. September 2019 mit der Begründung zurück, dass die Klägerin keine weitergehende Freistellung gem. § 43b Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz (EStG) beanspruchen könne.

Die Vorschrift sei zum einen deswegen nicht einschlägig, weil die Klägerin Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2 (nicht Nr. 1) EStG bezogen habe. Zum anderen seien die Kapitalerträge der Klägerin anlässlich der Liquidation der GmbH zugeflossen, was nach § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG die vollständige Freistellung von der Kapitalertragsteuer auch bei Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausschließe.

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht Köln hat der Klage überwiegend stattgegeben. Bei dem deutlich größeren Teil der durch die Klägerin bezogenen Kapitalerträge handele es sich um Gewinnausschüttungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und nicht um Liquidationserlöse i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG, da der Ausschüttungsbeschluss zwar im Liquidationszeitraum gefasst worden sei, jedoch Gewinne betreffe, die in bereits vor dem Liquidationszeitraum abgeschlossenen Wirtschaftsjahr der GmbH erzielt worden seien (Verweis auf das BFH-Urteil I R 15/98 vom 22. Oktober 1998, BFH/NV 1999, 829 und das BMF-Schreiben vom 26. August 2003, BStBl. I 2003, 434, Tz. 10).

Die Freistellung gem. § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG scheitere auch nicht an Satz 4 der Vorschrift. Die sehr weite Auslegung des Begriffs "anlässlich" in § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG, die das BZSt befürworte (im Sinne von "während" oder "im Zusammenhang mit"), lasse sich nicht aus der Bedeutung desselben Wortes in Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie (RL 2011/96/EU vom 30.11.2011) herleiten. Denn diese Vorschrift verwende auch einen Begriff der "Gewinnausschüttung", der über "Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG" (in § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG) deutlich hinausgehe.

Außerdem sei die Quellensteuerbefreiung durch den Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft in Art. 5 Mutter-Tochter-Richtlinie geregelt und nicht in Art. 4, und Art. 5 sehe keine Rückausnahme für "Ausschüttungen anlässlich der Liquidation" vor. Die Ausschüttung von Gewinnen, die vor der Liquidation erwirtschaftet seien, stelle deswegen jedenfalls keine "Ausschüttung anlässlich der Liquidation" i.S.d. § 43b Abs.1 Satz 4 EStG dar.

Nur ein kleiner Teil der durch die Tochter-GmbH im Jahr 2013 ausgeschütteten Beträge sei als Liquidationsabschlusszahlung zu qualifizieren, die den Tatbestand des § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfülle und nicht nach § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG von der KESt freizustellen sei. Insoweit hat das Finanzgericht die Klage abgewiesen.

Das Finanzgericht hat die Revision nicht zugelassen. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unter dem Az. VIII B 145/22 beim BFH anhängig.

Fundstelle

Finanzgericht Köln, Urteil vom 26. Oktober 2022 (2 K 2446/19); die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BFH unter dem Az. VIII B 145/22 anhängig.

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