Änderung von Antrags- und Wahlrechten
Die Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten, die dem Grunde nach keiner zeitlichen Begrenzung unterliegen, kann geändert werden, solange der entsprechende Steuerbescheid nicht formell und materiell bestandskräftig ist. In seinem aktuellen Urteil weist der Bundesfinanzhof darauf hin, dass die Änderung des Wahlrechts auf ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz bei einer partiellen Durchbrechung der Bestandskraft nur in Betracht kommt, wenn die damit verbundenen steuerlichen Folgen nicht über den durch § 351 Abs. 1 und § 177 Abgabenordnung gesetzten Rahmen hinausgehen.
Hintergrund
Im Streitfall war die Frage zu klären, ob ein im Jahr 2014 gestellter Antrag auf ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für die Einkommensteuer 2007 zurückgenommen werden kann, um ihn im Jahr 2016 für die Einkommensteuerveranlagung 2014 zu stellen. Das Finanzamt hatte das Ansinnen der zusammenveranlagten Kläger unter Verweis auf Satz 4 der genannten Vorschrift abgelehnt: Die ausdrückliche gesetzliche Regelung, dass das Wahlrecht „nur einmal im Leben ausgeübt werden könne“, erfordere auch unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks keinen weitergehenden zeitlichen Rahmen. Das Finanzgericht hatte die Klage abgewiesen.
Entscheidung des BFH
Auch der BFH folgte der Argumentation der Kläger nicht und wies deren Revision als unbegründet ab. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erlass eines Änderungsbescheids zur Einkommensteuer 2007. Der Änderung stehen § 351 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) und § 177 Abs. 2 AO (Berichtigung von materiellen Fehlern) entgegen. Aus § 351 Abs. 1 AO folgt, dass die Änderung der Antrags- oder Wahlrechtsausübung nur dann möglich ist, wenn die dadurch zu erzielende Steueränderung den durch die partielle Durchbrechung der Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlässt.
Für Änderungen, die über diesen Rahmen hinausgehen und demnach im Wege eines Verpflichtungsbegehrens zu verfolgen wären, bedarf es folglich einer eigenen Änderungsvorschrift. Die Änderung eines Antrags- oder Wahlrechts stellt für sich genommen keine Änderungsvorschrift dar.
Der Gesetzgeber habe, so der BFH, die Rücknahme eines Antrags dann für möglich erachtet, wenn im Rahmen einer Änderung von Steuerbescheiden dies nach den Vorschriften der AO zulässig ist. Den Gesetzesmaterialien sei nicht zu entnehmen, dass hinsichtlich der Rücknahme des Antrags nach § 34 Abs. 3 EStG etwas anderes gelten soll. Die Rücknahme des Antrags nach § 34 Abs. 3 EStG stellt auch kein rückwirkendes Ereignis im Sinne der Berichtigungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
Würde man - unabhängig von den Grenzen der § 351 Abs. 1, § 177 AO - eine Neuausübung des Wahlrechts zulassen, ergäbe sich im Ergebnis eine Durchbrechung der Bestandskraft. Der Gesetzgeber habe kein Widerrufsrecht in § 34 EStG vorgesehen. Dem Hilfsantrag der Kläger auf getrennte Veranlagung hatte das Finanzgericht dagegen stattgegeben.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 20. April 2023 (III R 25/22) – veröffentlicht am 25. Mai 2023.