Berücksichtigung des Verlusts aus einer stehen gelassenen Gesellschafterbürgschaft nach § 20 Abs. 2 EStG
Bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 EStG ist zwar im Grundsatz jede Kapitalanlage getrennt zu beurteilen. Allerdings bedarf es im Fall einer stehen gelassenen Gesellschafterbürgschaft einer "Gesamtbetrachtung" von Beteiligung und Bürgschaft/Regressforderung. Danach sind die gesamten "aus der Beteiligung" erzielten Einkünfte maßgebend, das heißt sowohl Wertsteigerungen als auch Ausschüttungen (§ 17 Abs. 1, 4, § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG). Von einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht ist auch ohne Vereinbarung einer Bürgschaftsprovision nur dann auszugehen, wenn die Erzielung von positiven Einkünften insgesamt ausscheidet. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Streitig ist, ob der Ausfall von Bürgschaftsregressforderungen nach § 17 Abs. 1, 4 oder nach § 20 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbar ist.
Der Kläger war mit 50 % am Stammkapital einer, zusammen mit seinem Bruder gegründeten, GmbH beteiligt. In den ersten Jahren nach Gesellschaftsgründung wurden verschiedene Bankdarlehen der GmbH durch selbstschuldnerische Bürgschaften des Klägers besichert.
Nachdem über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, trafen der Kläger und sein Bruder mit den Gläubigern der GmbH diverse Zahlungs- und Verzichtsvereinbarungen. Darin verpflichteten sie sich jeweils gesamtschuldnerisch zur Zahlung von Teilbeträgen, wohingegen die Gläubiger auf den Einzug der Restforderung verzichteten. Der Kläger behandelte seine Zahlungen in erster Linie als nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung.
Dagegen argumentierte das beklagte Finanzamt, dass die Bürgschaften und sonstige Sicherheiten des Klägers bereits vor Eintritt der Krise gestellt worden seien und die späteren Zahlungen infolge der Wertlosigkeit etwaiger Rückgriffsansprüche bei Kriseneintritt wertmäßig nicht mehr in die Verlustberechnung einzustellen seien.
Die Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte teilweise Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).
Entscheidung des BFH
Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Der Forderungsausfall fällt unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG. Dies gilt für den Ausfall von Gesellschafterdarlehensforderungen beziehungsweise Bürgschaftsregressforderungen des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft gleichermaßen (vgl. BFH, Urteil vom 09.07.2019, X R 9/17, BStBl II 2021, 418).
Zudem hat das Finanzgericht die erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers zu Recht bejaht. Es hat ausgeführt, es fehlten jegliche Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers im maßgebenden Zeitpunkt der Hingabe der Bürgschaften.
Bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen des § 20 EStG ist zwar im Grundsatz jede Kapitalanlage getrennt zu beurteilen. Allerdings bedarf es in Fällen wie dem vorliegenden einer "Gesamtbetrachtung" von Beteiligung und Bürgschaft/Regressforderung (BMF-Schreiben vom 07.06.2022, BStBl I 2022, 897, Rz 22; Jachmann-Michel, BB 2020, 727, 734; Krumm, Finanz-Rundschau ‑‑FR‑‑ 2020, 197, 206; Werth, FR 2020, 530, 536; Levedag, GmbH-Rundschau ‑‑GmbHR‑‑ 2021, 637, 639; FG München, Urteil vom 17.02.2022 - 11 K 2371/18, EFG 2022, 1373, Revision anhängig unter VIII R 8/22): Danach sind die gesamten "aus der Beteiligung" erzielten Einkünfte maßgebend, das heißt sowohl Wertsteigerungen als auch Ausschüttungen (§ 17 Abs. 1, 4; § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG).
Von einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht ist nur dann auszugehen, wenn die Erzielung von positiven Einkünften insgesamt ausscheidet. Dies ist hier nicht der Fall.
Findet der Ausfall der Regressforderung aus einer stehen gelassenen Bürgschaft im Rahmen des § 17 Abs. 1, 4 EStG (Übergangsregelung nach Maßgabe des Senatsurteils vom 11.07.2017 - IX R 36/15, BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208) keine Berücksichtigung, weil der gemeine Wert der Forderung im Zeitpunkt des Stehenlassens mit 0 € zu bewerten ist, steht § 20 Abs. 8 EStG einer Berücksichtigung der Forderung mit ihrem nicht werthaltigen Teil (Nennwert) nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG nicht entgegen.
Verbürgen sich mehrere Gesellschafter für dieselbe Gesellschaftsschuld, kann der über seinen Anteil hinaus in Anspruch genommene Bürge den Ausfall seiner gegen die Gesellschaft gerichteten Regressforderung nur dann in voller Höhe nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG geltend machen, wenn feststeht, dass die Ausgleichsforderung gegen den Mitbürgen nach § 426 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht realisierbar und damit wertlos ist.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 20. Juni 2023 (IX R 2/22), veröffentlicht am 24. August 2023.