Leistungen Dritter als grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung
Zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer gehören bei der Veräußerung eines Grundstücks an eine Gesellschaft nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes auch Leistungen eines Dritten an den Grundstücksveräußerer für den Erwerb von Anteilen an der künftig grundbesitzenden Gesellschaft, wenn der Hauptzweck dieser Leistungen darin besteht, den Grundstücksveräußerer zur Übertragung des Grundstücks an die Gesellschaft zu veranlassen. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Die A-GmbH war Eigentümerin der Gewerbeimmobilie B. U.a. diese Gewerbeimmobilie beabsichtigten die C-AG sowie die D-GmbH zu erwerben. Dieser Erwerb sollte im Wege des unmittelbaren Erwerbs von Gesellschaftsanteilen an der F-GmbH (sog. Zielgesellschaft) von der A-GmbH erfolgen.
Die A-GmbH sollte der Zielgesellschaft das Grundstückseigentum am Objekt B gegen Dotation der Kapitalrücklage i.H.v. 85 % des festgelegten Immobilienwerts und gegen Gewährung eines Gesellschafterdarlehens i.H.v. 15 % des festgelegten Immobilienwerts übertragen. Die Parteien vereinbarten, dass die A-GmbH an die C-AG 94,9% der noch zu erwerbenden Anteile an der Zielgesellschaft verkauft und abtritt. Die Abtretung der Gesellschaftsanteile sollte aufschiebend bedingt sein durch die Zahlung des Kaufpreises und den Eintritt der sog. Vollzugsbedingungen.
Unter den gleichen Bedingungen verkaufte die A-GmbH der D-GmbH 5,1% der Gesellschaftsanteile und trat diese ab. Des Weiteren verkaufte die A-GmbH der C-AG auch ihren Rückzahlungsanspruch aus dem der Zielgesellschaft noch zu gewährenden Gesellschafterdarlehen.
Mit einem weiteren notariellen Vertrag vom 22. Dezember 2014 übertrug die A-GmbH der Klägerin, deren sämtliche Gesellschaftsanteile sie mit Vertrag vom gleichen Tage erworben hatte, das Eigentum am Objekt B. Zugunsten der A-GmbH wurde ein Zahlungsanspruch vereinbart, den diese nach Maßgabe eines noch abzuschließenden Gesellschafterdarlehensvertrages stundete. In Höhe des Differenzbetrags zwischen dem Verkehrswert des Grundstücks und dem Zahlungsanspruch sollte die Übertragung als freiwillige Zuzahlung in die freie Kapitalrücklage der Klägerin erfolgen.
Mit Bescheid vom 15. April 2015 setzte das Finanzamt gegen die Klägerin die Grunderwerbsteuer fest. Dabei vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass neben dem Kaufpreis eine zusätzliche Gegenleistung zu berücksichtigen sei, weil es sich dabei um ein Entgelt nach § 9 Abs.2 Nr.4 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) handele, welches dem Veräußerer von einem anderen als dem Erwerber für die Überlassung des Grundstücks gezahlt worden sei. Im Übrigen ergebe sich eine Berücksichtigung der im Rahmen des Anteilserwerbs geleisteten Zahlungen im Rahmen der Bemessungsgrundlage hilfsweise aus § 42 Abgabenordnung (AO). Der vorliegende Sachverhalt führe zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil, ohne dass außersteuerliche Gründe für die gewählte Gestaltung ersichtlich seien.
Die Klage vor dem Hessischen Finanzgericht hatte keinen Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).
Entscheidung des BFH
Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidung des Finanzgerichts, dass auch der von der C-AG und D-GmbH an die A-GmbH gezahlte Betrag gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG eine Gegenleistung für die Übertragung des Objekts B von der A-GmbH auf die Klägerin darstellt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 4 GrEStG gehören zur Gegenleistung auch Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstücks dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überlässt. Die Leistung des Dritten muss demnach in ihrem Hauptzweck darauf gerichtet sein, dass der Verkäufer das Grundstück dem Erwerber überlässt (BFH, Urteil vom 18.09.1985, II R 168/82, BFH/NV 1986, 698, unter 2.). Der finale Bezug ist weder aus der Sicht des Veräußerers als Leistungsempfänger noch aus der Sicht des Erwerbers zu beurteilen.
Die Zweckrichtung einer Leistung ist vielmehr aus der Sicht des Leistenden (das heißt eines Dritten) zu bestimmen. Das Interesse, das der Dritte mit seiner auf Überlassung des Grundstücks an den Erwerber gerichteten Leistung verfolgt, muss nicht in der Förderung (gleichgerichteter) Interessen des Erwerbers bestehen, sondern kann ausschließlich auf die eigene Person bezogen sein (BFH, Beschluss vom 22.10.2003, II B 158/02, BFH/NV 2004, 228, unter II.1.).
Für die Bestimmung der Gegenleistung ist nicht maßgebend, was die Vertragschließenden als Gegenleistung für das Grundstück bezeichnen, sondern zu welchen Leistungen sie sich tatsächlich verpflichtet haben.
Das Finanzgericht ist bei der Auslegung des Anteilskaufvertrags und des Übertragungsvertrags zu dem Schluss gelangt, dass Hauptzweck sämtlicher Leistungen der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH gewesen sei, die A-GmbH zu veranlassen, das Eigentum am Objekt B auf die Klägerin zu übertragen. Diese Auslegung ist möglich. Sie verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und bindet daher den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO. Die Klägerin hat keine durchgreifenden Gründe vorgebracht, die eine andere Würdigung im Streitfall als zwingend erscheinen lassen.
Auch die Würdigung des Finanzgerichts, der Hauptzweck der Zahlung der C-AG und der D-GmbH an die A-GmbH für die Anteile an der Klägerin sei in der Übertragung des Objekts B auf die Klägerin zu sehen, verstößt bei der Zusammenschau des Anteilskaufvertrags und des Übertragungsvertrags nicht gegen Denkgesetze, sondern ist vertretbar.
Nicht entscheidungserheblich ist entgegen der Auffassung der Klägerin, dass als Gegenleistung für einen Rechtsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG auch ein ernsthaft vereinbarter Kaufpreis anerkannt werden kann, der unter dem Verkehrswert des übertragenen Grundstücks liegt.
Es liegt entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch keine unzulässige Doppelbesteuerung vor. Die Besteuerung der Übertragung des Grundstücks (Objekt B) von der A-GmbH auf die Klägerin nach § 1 Abs. 1 GrEStG und die Übertragung der Anteile an der Klägerin von der A-GmbH auf die D-GmbH und C-AG nach § 1 Abs. 3 GrEStG ‑wenn der Anteilserwerb steuerbar wäre‑ stehen eigenständig nebeneinander, sodass die jeweiligen Gegenleistungen im Sinne des § 8 GrEStG gesondert zu ermitteln wären.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 25. April 2023 (II R 19/20), veröffentlicht am 7. September 2023.