EuGH: Steuerbefreiung für Beförderungsleistungen bei Einfuhr und Quellensteuer auf Gebühren für Antragsbearbeitung durch Dritte

In einem rumänischen Fall hat der EuGH entschieden, das ein entgeltlicher Vertrag, dessen Hauptleistung in der Bearbeitung des Antrags zur Erstattung der Mehrwertsteuer von den Steuerbehörden mehrerer Mitgliedstaaten besteht, als „Dienstleistung“ i.S.v. Art. 57 AEUV anzusehen ist. Darüber hinaus stellen die Europarichter fest, dass die Steuerbefreiung für Beförderungsleistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr nicht ohne weiteres mit der Begründung zu versagen ist, wenn andere einschlägige Begleitpapiere für die Einfuhr vorgelegt werden. Des Weiteren war die Frage der Erhebung einer Quellensteuer auf das Dienstleistungsentgelt strittig.

Hintergrund

Cartrans (die Klägerin des Ausgangsverfahrens) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Rumänien, die Güterkraftverkehrsdienste erbringt. Nach einer steuerlichen Betriebsprüfung hatte die dortige Steuerbehörde einen Steuerbescheid erlassen, mit dem sie von der Gesellschaft Mehrwertsteuer nachforderte, die aus einer Rechnung über Güterkraftverkehrsdienstleistungen resultierte, die sie einer anderen Gesellschaft gegenüber erbracht hatte. Die Beförderung betraf eine Fahrt zwischen den Niederlanden, wo die beförderten Gegenstände in die Union gelangt waren, und Rumänien.

Des Weiteren erhob die Steuerbehörde Einkommensteuer für gebietsfremde Personen auf Zahlungen, die Cartrans an die FDE Holding A/S, eine dänische Gesellschaft, als Gegenleistung für Dienstleistungen leistete, die diese ihr zwischen 2012 und 2018 erbracht hatte. Die Klägerin hatte einen Vertrag mit dem dänischen Unternehmen FDE Holding A/S geschlossen, der diesem Unternehmen das Recht einräumte, in ihrem Namen die Erstattung der Mehrwertsteuer auf innergemeinschaftliche Warenerwerbe zu fordern. Im Rahmen dieses Vertrags kümmerte sich die FDE Holding in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin der Klägerin um alle für die Erstattung der Mehrwertsteuer erforderlichen Formalitäten. Die Gebühren für diese Dienstleistungen wurden als Prozentsatz des in jedem Land erstatteten Mehrwertsteuerbetrags berechnet.

Was erstens die zusätzliche Mehrwertsteuer betrifft, ist die rumänische Steuerbehörde der Auffassung, dass Cartrans nicht die Dokumente vorgelegt habe, die u. a. belegten, dass die streitigen Beförderungsleistungen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einfuhr der betreffenden Gegenstände stünden und insoweit die Mehrwertsteuerbefreiung für diese Dienstleistungen nicht gerechtfertigt war. Was zweitens die Einkommensteuer für gebietsfremde Personen betrifft, vertrat die Steuerbehörde die Auffassung, dass die Zahlungen an die FDE Holding, „Provisionen“ im Sinne des rumänischen Rechts darstellten und diese mit dem nach dem geltenden DBA maßgeblichen Satz von 4 % zu versteuern sei.

Cartrans vertritt hingegen die Auffassung, dass die streitigen Beförderungsleistungen, die sie im vorliegenden Fall erbracht habe, die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 144 der Mehrwertsteuerrichtlinie für Dienstleistungen, die sich auf die Einfuhr von Gegenständen bezögen, erfüllten. Zum anderen macht Cartrans in Bezug auf die an der Quelle einzubehaltende Einkommensteuer für gebietsfremde Personen geltend, dass die an die FDE Holding gezahlte Vergütung keine Provision im Sinne des rumänischen Rechts darstelle, sondern eine Gegenleistung für Dienstleistungen, die nach Art. 7 Abs. 1 des DBA nur in Dänemark habe besteuert werden können.

Entscheidung des EuGH

Art. 86 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 sowie Art. 144 der Richtlinie 2006/112 steht der Steuerpraxis eines Mitgliedstaats entgegen, die darin besteht, die Mehrwertsteuerbefreiung für Beförderungsleistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr von Gegenständen automatisch zu versagen, wenn der Steuerpflichtige die von der nationalen Regelung vorgeschriebenen spezifischen Dokumente nicht vorgelegt hat, obwohl er andere Dokumente vorlegt, die keinen Anlass für Zweifel an ihrer Echtheit und Zuverlässigkeit geben und die belegen können, dass die Voraussetzungen, von denen diese Vorschriften das Recht auf Mehrwertsteuerbefreiung abhängig machen, erfüllt sind.

Eine Leistung, die darin besteht, Mehrwertsteuer und Verbrauchsteuern bei den Finanzverwaltungen mehrerer Mitgliedstaaten zurückzufordern, ist eine Dienstleistung im Sinne der Art. 56 und 57 AEUV.

Die Anwendung eines Quellensteuerabzugs von den Einkünften, die für eine von einem gebietsfremden Dienstleistungserbringer erbrachte Dienstleistung erzielt werden, während eine von einem gebietsansässigen Dienstleister erbrachte gleichwertige Dienstleistung nicht Gegenstand dieses Steuerabzugs ist, stellt eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Diese Beschränkung kann durch die Notwendigkeit, die effiziente Einziehung der Steuer zu gewährleisten, gerechtfertigt sein, soweit sie zur Erreichung dieses Ziels geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist. Im Zuge einer Besteuerung an der Quelle, so der EuGH abschließend, müsse jedoch auch die Möglichkeit eines Abzugs von unmittelbar mit dieser Tätigkeit zusammenhängenden Betriebsausgaben gewährt werden.

Das ausführliche Urteil mit den insgesamt vier Antworten des EuGH zu den Vorlagefragen finden Sie hier.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 7. September 2023 (C‑461/21), Cartrans Preda

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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