EuGH: Gewinnabschöpfung bei Spielbankunternehmen als staatliche Beihilfe?
Der deutsche Fachverband Spielhallen und eine Betreiberin von Glücksspielgeräten (Rechtsmittelführer) hatten beim Gericht der Europäischen Union (EuG) Klage gegen den Beschluss der EU-Kommission bezüglich der steuerlichen Behandlung von Spielbanken in Deutschland eingelegt, die das EuG im Oktober 2021 abgewiesen hatte. In seinem heutigen Urteil hebt der Europäische Gerichtshof das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache an das EuG zurück.
Hintergrund
Im Fokus des Rechtsstreits steht das Spielbankgesetz NRW, das in Nordrhein-Westfalen bis zu seiner Ersetzung im Jahr 2020 galt. Danach unterlagen die Einnahmen der Spielbanken zwei verschiedenen Steuerregelungen, nämlich der Spielbankabgabe und der Normalbesteuerung (Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer) hinsichtlich der nicht aus dem Spielbetrieb erzielten Einnahmen.
Während die WestSpiel in den Jahren vor 2015 und danach Verluste erwirtschaftete, entstand im Jahr 2014 einen Jahresüberschuss in Höhe von rund 86,4 Mio. EUR. Dieser Gewinn stammte jedoch nicht aus dem operativen Geschäft, sondern aus dem Verkauf von zwei Kunstwerken durch das Unternehmen. Die Gewinnabschöpfung nach § 14 SpielbG NRW führte 2014 dann zu einem an NRW gezahlten Abschöpfungsbetrag in Höhe von rund 82 Mio. EUR.
Anschließend wurde ein Teil des abgeschöpften Gewinns, d. h. 64,8 Mio. EUR, 2015 wie folgt wieder in die WestSpiel eingebracht: Das Land NRW und die NRW.BANK schlossen einen Treuhandvertrag, wonach die NRW.BANK eine stille Beteiligung (an der WestSpiel) treuhänderisch für das Land hält. Diese stille Beteiligung in Höhe von 64,8 Mio. EUR tritt neben die von der NRW.BANK an der WestSpiel gehaltene Kommanditbeteiligung. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, dass die Kapitalzuführung aus dem Jahr 2015 eine staatliche Beihilfe im Sinne des Artikels 107 Absatz 1 AEUV darstellt.
Kommissionsbeschluss und klageabweisender Beschluss des Gerichts der EU
Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass die streitige Maßnahme keinen selektiven Vorteil enthalte und somit keine Beihilfe sei, und beschloss daher, hinsichtlich dieser Maßnahme nicht das förmliche Prüfverfahren nach Art. 108 Abs. 2 AEUV einzuleiten. Der Vorteil, der den Spielbankunternehmern aus der Verringerung der Bemessungsgrundlage um einen Teil der Gewinnabschöpfung entstehe, sei insoweit geringer als der Nachteil, der ihnen aus der Verpflichtung zur Entrichtung der Gewinnabschöpfung erwachse, als die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer proportional seien und die Einkommensteuer progressiv gestaffelt sei.
Das Gericht der Europäischen Union (EuG) hatte die Klage abgewiesen. Mit ihrem Rechtsmittel beantragten der Fachverband Spielhallen e. V. und LM (eine Betreiberin von Glücksspielgeräten) vor dem EuGH die Aufhebung des (nicht veröffentlichten) Beschlusses vom 22. Oktober 2021 (T‑510/20), mit dem das Gericht der Europäischen Union (EuG) ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses der Kommission abgewiesen hat.
Schlussanträge des Generalanwalts (GA)
GA Pikamäe war in seinen Schlussanträgen der Ansicht, dass das EuG einen Rechtsfehler begangen hat, als es die von den Rechtsmittelführern erhobene Klage für offensichtlich unbegründet erklärte und empfahl dem Gericht die Aufhebung des angefochtenen Urteils des.
Urteil des EuGH
Der EuGH schließt sich den Ausführungen des GA an und hebt den Beschluss des Gerichts der Europäischen Union vom 22. Oktober 2021 auf. Die Sache wird an das EuG zurückverwiesen.
Mit dem vorliegenden Urteil stellt der EuGH fest, dass das EuG dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass es die Argumentation der Rechtsmittelführer nicht geprüft hat, mit der die von der Kommission im streitigen Beschluss vorgenommene Ermittlung des Bezugssystems bzw. der „normalen“ Steuerregelung beanstandet wurde.
Da das Gericht hinsichtlich der von der Kommission vorgenommenen Auslegung des zur Bestimmung des Bezugssystems bzw. der „normalen“ Steuerregelung anwendbaren nationalen Rechts nicht die Kontrolle vorgenommen hat, die ihm in Bezug auf die vor ihm ausdrücklich geltend gemachte Argumentation der Rechtsmittelführer oblag, hält der EuGH den vorliegenden Rechtsstreit nicht für entscheidungsreif.
Der im Urteil des EuG zusammengefasste Ansatz des Gerichts stehe im Widerspruch zu den in der Rechtsprechung des EuGH aufgestellten Grundsätzen, wonach die von der Kommission vorzunehmende Prüfung zur Feststellung der Selektivität einer Beihilferegelung steuerlicher Art hinsichtlich der Ermittlung des „normalen“ Bezugssystems bzw. der „normalen“ Steuerregelung mit der Prüfung zusammenfällt, die zur Feststellung dessen durchzuführen ist, ob die streitige Maßnahme den durch sie Begünstigten einen Vorteil verschafft.
Das EuG, so der EuGH, habe mithin rechtsfehlerhaft entschieden, dass die genannten Argumente der Rechtsmittelführer nicht geprüft werden müssten, weil sie, selbst wenn sie begründet wären, jedenfalls ins Leere gingen, da sie sich nur auf die von der Kommission im streitigen Beschluss vorgenommene Prüfung der Selektivitätsvoraussetzung und nicht auf die darin gesondert geprüfte Voraussetzung eines wirtschaftlichen Vorteils auswirkten.
Fundstelle
EuGH, Urteil vom 21. September (C‑831/21 P) Fachverband Spielhallen und LM / Kommission