Umsatzsteuerkorrektur in Bauträgerfällen bei Organschaft und Vertrauensschutz

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs besteht keine Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Umsatzsteuergesetz (UStG), wenn der Organträger einer Bauleistungen erbringenden Organgesellschaft keinen Anspruch der Organgesellschaft gegen den Leistungsempfänger abtreten kann, da über das Vermögen der Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Hintergrund

Die Klägerin war Gesellschafterin und Organträgerin einer GmbH, die Bauleistungen erbrachte. Über das Vermögen der GmbH wurde 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die GmbH erbrachte in den Jahren 2011 und 2012 gegenüber einer Bauträgerin Bauleistungen ohne gesonderten Umsatzsteuerausweis nach § 13b UStG, da die Beteiligten von der Steuerschuldnerschaft der Bauträgerin ausgingen. Die Bauträgerin beantragte vor dem Hintergrund des BFH-Urteils vom 22. 8. 2013 (V R 37/10) in 2015 die Erstattung der entrichteten Umsatzsteuer. Daraufhin nahm das Finanzamt die Klägerin für die Umsatzsteuer 2011 und 2012 in Anspruch. Hiergegen wandte sich die Klägerin und bot dem Finanzamt an, einen ihr gegenüber der GmbH aufgrund der seinerzeitigen Organschaft zustehenden Anspruch auf Ausgleich der Umsatzsteuer abzutreten, und meldete diese Forderung zur Insolvenztabelle an. Das Finanzamt nahm die Abtretung nicht an. Der Insolvenzverwalter der GmbH erstellte keine geänderten Rechnungen und forderte von der Bauträgerin keine Umsatzsteuer an. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass sie die Umsatzsteuer nicht schulde. Das Finanzgericht hatte deren Klage stattgegeben.

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision des Finanzamts zurück. Das Finanzgericht habe im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das Finanzamt zu einer Änderung zu Lasten der Klägerin nicht berechtigt war. Zum einen verhindert § 176 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) eine Änderung des Umsatzsteuerjahresbescheids nach § 164 Abs. 2 AO. Zum anderen liegen die Voraussetzungen von § 27 Abs. 19 UStG nicht vor.

Der Änderung nach § 164 Abs. 2 AO steht § 176 Abs. 2 AO entgegen. Danach darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids nicht zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Vertrauensschutz gemäß § 176 AO besteht auch bei formell bestandskräftigen Bescheiden, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen sind. Die nach § 176 Abs. 2 AO erforderliche Bezeichnung einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend ergibt sich vorliegend aus dem BFH-Urteil vom 22.08.2013 (V R 37/10). Diese Verwaltungsvorschrift (Abschn. 182a Abs. 11 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 und später Abschn. 13.b.3 Abs. 8 Satz 4 ff. des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses i.d.F. vor der Änderung durch das BMF-Schreiben vom 05.02.2014) lag im Streitfall zugrunde.

Entgegen der Auffassung des Finanzamts steht der Anwendung von § 176 Abs. 2 AO nicht entgegen, dass der BFH mit dem Urteil V R 37/10 die Verwaltungsauffassung bereits vor der ersten Umsatzsteuerjahresfestsetzung vom 09.04.2014 als nicht mit dem geltenden Recht in Einklang stehend bezeichnet hat. Da die Voranmeldungsfestsetzungen ausnahmslos bereits vor der maßgeblichen Veröffentlichung dieses Urteils auf der Internetseite des BFH am 27.11.2013 vorlagen, hat das Finanzgericht im Ergebnis zu Recht entschieden, dass § 176 Abs. 2 AO einer Änderung nach § 164 Abs. 2 AO entgegenstand.

Das Finanzamt war auch nicht zu einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG berechtigt: „Sind Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer (…) schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungsempfänger (…) die Steuer in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein“. Diese Vorschrift eröffnet keine Änderungsbefugnis, wenn der Organträger einer Bauleistungen erbringenden Organgesellschaft keinen Anspruch der Organgesellschaft gegen den Leistungsempfänger abtreten kann, da über das Vermögen der Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 6. Juli 2023 (V R 5/21), veröffentlicht am 21. September 2023.

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