Aufrechnung von Steuererstattungsansprüchen mit Steuernachforderungen in Bauträger-Fällen
Umsatzsteuerrechtlicher Leistungsempfänger bei bestehender Organschaft ist auch dann der Organträger, wenn zivilrechtlich die Organgesellschaft Vertragspartnerin des bauleistenden Unternehmers ist. Des Weiteren entschied der Bundesfinanzhof in seinem Urteil relevante Fragen zum Abrechnungsbescheid und der Aufrechnung in sogenannten Bauträger-Fällen
Hintergrund
Aufgrund einer früheren Entscheidung des BFH aus 2013 bestand für den Bauträger, der von einer Steuerpflicht des Leistungsempfängers ausging (Anwendung des sogenannten Reverse-charge-Verfahrens) die Möglichkeit, vom Finanzamt die Erstattung der gezahlten Umsatzsteuer zu erlangen, weil der BFH davon ausging, dass eine Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nicht bestand. Aufgrund der Regelung in § 27 Abs. 19 Umsatzsteuergesetz (UStG) konnte das betreffende Finanzamt beim Leistenden erreichen, dass dieser dem Finanzamt seinen Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger an das Finanzamt abtrat.
Streitfall und Entscheidung des BFH
Das Finanzamt hatte mit den von Handwerkern abgetretenen Forderungen gegen Erstattungsforderungen des Bauträgers aufgerechnet. In den Jahren 2006 und 2007 bestand zwischen dem Bauträger (Klägerin) als Organgesellschaft und Herrn U als Organträger und seit 2008 zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der U GmbH & Co. KG (U KG) als Organträgerin eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft. Dennoch entschied der BFH im Sinne der Finanzverwaltung und ermöglichte eine wirksame Aufrechnung, indem er den strittigen Abrechnungsbescheid für rechtmäßig erklärte.
Die wesentlichen Entscheidungsgründe des BFH in Kürze:
Der Anspruch, mit dem das Finanzamt aufgerechnet hat, ist wirksam entstanden und abgetreten worden (u. a. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage und ergänzender Vertragsauslegung).
Die umsatzsteuerliche Organschaft der Klägerin mit ihrem Organträger lässt die Gegenseitigkeit nicht entfallen (Haupt- und Gegenforderung haben die Klägerin und den Beklagten wechselseitig als Gläubiger und Schuldner). Der zivilrechtliche Nachzahlungsanspruch der bauleistenden Unternehmer richtet sich trotz der Organschaft gegen die Klägerin.
Soweit ein Erstattungsantrag der U KG (und des U) vor Inkrafttreten des § 27 Abs. 19 UStG gestellt wurde, vermag dies nichts am Entstehen des zivilrechtlichen Anspruchs auf Nachforderung der Umsatzsteuer zu ändern. Der Entstehung der zivilrechtlichen Ansprüche auf Nachforderung der Umsatzsteuer kann nicht entgegengehalten werden, dass die Umsatzsteuerfestsetzungen der Bauleistenden nicht hätten geändert werden können und dürfen. Diese zivilrechtlichen Ansprüche sind im Verhältnis zwischen den Bauleistenden und der Klägerin entstanden, da zwischen ihnen der jeweilige Vertrag über die Erbringung der Bauleistung abgeschlossen worden ist.
Auch der von der Klägerin geltend gemachte Vertrauensschutz greift nicht durch, weil kein schützenswertes Vertrauen besteht. Es entsprach dem Willen der Vertragsparteien bei Vertragsschluss, dass die Bauträger die (nicht als Vorsteuer abziehbare) Umsatzsteuer auf die von ihnen bezogenen Bauleistungen tragen.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 24. Mai 2023 (XI R 45/20) – veröffentlicht am 28. September 2023.