Zuständigkeit für die Auflösung einer § 6b EStG-Rücklage nach Ausscheiden eines Mitunternehmers

Über die später wegen des Ablaufs der Reinvestitionsfrist erforderliche Auflösung einer Rücklage nach § 6b EStG ist nicht im Gewinnfeststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft, sondern im Einkommensteuerverfahren des früheren Mitunternehmers zu entscheiden. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Der Kläger war seit dem Jahr 2000 zu 95 % an einer gewerblichen KG beteiligt, die Eigentümerin eines bebauten Grundstücks war. Im Jahr 2006 veräußerte er seine Beteiligung.

Er beantragte im Gewinnfeststellungsverfahren der KG für 2006 zunächst erfolglos, den Veräußerungsgewinn, der vollständig auf die Wirtschaftsgüter Grund und Boden sowie Gebäude entfiel, in eine Rücklage nach § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) einzustellen. Erst im Einspruchsverfahren kam das für die KG zuständige Betriebs-Finanzamt diesem Begehren mit geändertem Gewinnfeststellungsbescheid 2006 vom 24.11.2017 nach. Die Einkommensteuer 2006 der Kläger wurde mit Änderungsbescheid vom 08.10.2018 entsprechend herabgesetzt.

Da der Kläger die Rücklage nicht von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anderer Wirtschaftsgüter abgezogen hatte, löste sie der Beklagte und Revisionsbeklagte als Wohnsitz-Finanzamt ‑ebenfalls am 08.10.2018‑ im vorliegend angefochtenen geänderten Einkommensteuerbescheid 2010 gewinnerhöhend auf und setzte einen Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG an. Dabei blieb die Einkommensteuer unverändert auf 0 € festgesetzt; der Gesamtbetrag der Einkünfte und der Verlustabzug aus dem zum 31.12.2009 festgestellten verbleibenden Verlustvortrag erhöhten sich aber entsprechend. Verfahrensrechtlich wurde der Änderungsbescheid zunächst auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO), in der Einspruchsentscheidung dann auf eine "analoge" Anwendung des § 174 Abs. 4 AO gestützt.

Hiergegen wandte sich der Kläger im Einspruchs- und Klageverfahren vor allem mit dem Argument, das Wohnsitz- Finanzamt sei für die Entscheidung über die Auflösung der Rücklage nicht zuständig gewesen; vielmehr hätte diese Entscheidung im Gewinnfeststellungsverfahren der KG getroffen werden müssen. Auch wenn der Kläger im Streitjahr 2010 nicht mehr Gesellschafter der KG gewesen sei, könne über das weitere Schicksal einer Rücklage nur in dem Betrieb entschieden werden, in dem sie gebildet und in der Buchführung ausgewiesen worden sei.

Ferner sind die Kläger der Auffassung, es gebe für die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2010 keine Korrekturvorschrift. § 174 Abs. 4 AO sei nicht anwendbar, weil dies die Wirksamkeit des Gewinnfeststellungsbescheids 2006 voraussetzen würde, dieser Bescheid in Bezug auf den Kläger aber unwirksam sei.

Die Klage vor dem Finanzgericht München hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat sich der Entscheidung der Vorinstanz angeschlossen und die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

Das Betriebs-Finanzamt der Mitunternehmerschaft hat über die Einstellung des Veräußerungsgewinns in eine sonderbilanzielle Rücklage nach § 6b EStG zu entscheiden, auch wenn ein Mitunternehmer seinen gesamten Mitunternehmeranteil veräußert hat.

Über die später wegen des Ablaufs der Reinvestitionsfrist erforderliche Auflösung einer solchen Rücklage ist nicht im Gewinnfeststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft, sondern im Einkommensteuerverfahren des früheren Mitunternehmers zu entscheiden.

Wenn die Rücklage nach § 6b EStG im Gewinnfeststellungsverfahren der Mitunternehmerschaft erst aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen berücksichtigt wird, ermöglicht § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung für den Veranlagungszeitraum des Ablaufs der Reinvestitionsfrist die Änderung eines bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids des früheren Mitunternehmers, um den Gewinn aus der Auflösung der Rücklage zu erfassen.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 12. Juli 2023 (X R 14/21), veröffentlicht am 5. Oktober 2023.

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