Körperschaftssteuer: Die steuerliche Zusammenfassung von gleichartigen Betrieben gewerblicher Art
Der Bundesfinanzhof hat jüngst mit Urteil vom 15. März 2023 (I R 49 / 20) die Anforderungen an das Merkmal der Gleichartigkeit im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG konkretisiert.
Zentrale Streitfrage des Prozesses war, unter welchen Voraussetzungen zwei Betriebe gewerblicher Art der klagenden Gemeinde „gleichartig“ im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG sind. Folge einer solchen Gleichartigkeit ist die Möglichkeit der Zusammenfassung von Einnahmen und Ausgaben, zur Ermittlung des nach dem § 7 Abs. 1 KStG zu versteuernden Einkommen.
Die Gemeinde, begehrte die Verrechnung der Gewinne eines auf einem Weihnachtsmarkt in der Nachbargemeinde betriebenen Glühweinstandes mit den Verlusten ihres Betriebes gewerblicher Art „Kurbetrieb“. Der „Kurbetrieb“ umfasste unter anderem auch Einnahmen und Ausgaben aus „kurintegrierenden Maßnahmen“, wie der Vermietung oder Verpachtung diverser Einrichtungen (Bühne des Kursaals, Kegelbahn, Minigolfanlage) sowie insbesondere für eine touristische Marketing-Organisation. Letztere stellte den größten Einzelposten der Ausgaben dar. Der Glühweinstand verfügte neben dem Ausschankfenster auch über einen Prospektständer aus Holz, in welchem Image- und Werbebroschüren der Gemeinde ausgelegt waren. Außerdem veranstaltete die Klägerin im Rahmen des Weihnachtsmarkts ein Preisausschreiben, bei dem die Teilnehmer z. B. eine Ballonfahrt in der Region oder einen Aufenthalt in einem Kurhotel gewinnen konnten.
Da beide Betriebe gewerblicher Art den Betriebszweck der Touristenwerbung verfolgten, lagen nach Ansicht der Gemeinde gleichartige Betriebe vor. Entsprechend dieser Auffassung verrechnete die Gemeinde in ihrer Körperschaftssteuererklärung die Gewinne aus dem Betrieb Glühweinstandes mit den Verlusten aus dem Kurbetrieb. Nach einer Außenprüfung vertrat die Finanzbehörde eine abweichende Auffassung und erließ für den Betrieb gewerblicher Art „Glühweinstand“ separate Steuerbescheide, welche klageweise angegriffen wurden.
Das Finanzgericht München gab der Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 20. November 2020 (6 K 2916/17) zunächst Recht. Das erstinstanzliche Gericht stützte seine Annahme eines gleichartigen Betriebes gewerblicher Art maßgeblich auf das Veranlassungsprinzip gem. § 4 Abs. 4 EStG. Danach sei der Betriebszweck des Glühweinstands „Touristenwerbung“ und somit Teil der touristischen Marketing-Organisation des Kurbetriebes. Das steuerliche Ergebnis des Betriebes gewerblicher Art Glühweinstand könne daher mit dem Ergebnis des Betriebes gewerblicher Art Kurbetrieb zusammengefasst werden.
Mit seinem Urteil vom 15. März 2023 (I R 49/20) hob der BFH die vorangegangene Entscheidung vollumfänglich auf und konkretisierte die Anforderungen an das Merkmal der Gleichartigkeit von Betrieben gewerblicher Art im Sinne des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG. Dabei ist nach dem BFH in erster Linie auf die jeweilige gewerbliche Betätigung selbst und damit auf das äußere Erscheinungsbild des jeweiligen Betriebes gewerblicher Art, und nicht auf die von der Trägerkörperschaft mit dem Betrieb gewerblicher Art verfolgten übergeordneten Ziele bzw. Zwecke abzustellen.
In Zukunft sind daher bei der Ermittlung der Gleichartigkeit allein objektive Merkmale maßgeblich. Dabei sind vorrangig die Art der jeweiligen gewerblichen Betätigung und deren nach Außen sichtbaren Betätigung zu vergleichen. Eine subjektive Zweckbestimmung seitens des Trägers ist unbeachtlich.
Die vorstehenden Maßstäbe sind nach dem BFH auch auf sich ergänzende gewerbliche Betätigungen anzuwenden. Grundsätzlich kann eine Gleichartigkeit auch vorliegen, wenn sich die gewerblichen Betätigungen nach ihrem äußeren Erscheinungsbild zwar unterscheiden, die gewerbliche Betätigung die jeweils andere aber ergänzt. So können, sofern objektiv eine hinreichende funktionelle Verbindung besteht, einander ergänzende gewerbliche Tätigkeiten im Falle unterschiedlicher Produktions- und Vertriebsstufen ebenfalls gleichartig im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG sein. Dies hat bereits das FG Thüringen in einer früheren Entscheidung zwischen einem Schwimmbad und einem Campingplatz anerkannt (3 K 342/10).
Für den zu entschiedenen Fall folgerte der BFH daraus, dass es sich bei dem Betrieb des Glühweinstands um einen gastronomischen Verkaufsstand außerhalb des Gemeindegebiets handele, an dem Speisen und Getränke gegen Entgelt an die Besucher des Weihnachtsmarkts der benachbarten Gemeinde abgegeben werden. Demgegenüber sei der Kurbetrieb ein Konglomerat verschiedener Aktivitäten und Dienstleistungen der Klägerin im Zusammenhang mit der Förderung des Tourismus im Gemeindegebiet. Beides werde weder im gleichen Gewerbezweig ausgeübt noch würden die gewerblichen Betätigungen einander ergänzen. Der an dem Glühweinstand platzierte Prospektständer mit Werbematerial für den Tourismus habe allenfalls einseitig der Förderung des Tourismus im Gemeindegebiet der Klägerin gedient, nicht aber habe umgekehrt der Kurbetrieb der Klägerin die für den Glühweinstand charakteristische gewerbliche Betätigung unterstützt oder ergänzt. Dies sei jedoch Voraussetzung für die Annahme zweier „einander ergänzender“ Betriebe gewerblicher Art, deren Ergebnisse man zusammenfassen könne.
Der BFH hat die Sache zur weiteren Entscheidung an das FG München zurückverwiesen, da hinsichtlich der vorzunehmenden steuerlichen Gewinnermittlung des Betriebes gewerblicher Art „Glühweinstand“ die tatrichterlichen Feststellungen nicht ausreichend waren.
Einordnung der Entscheidung für die kommunale Steuerpraxis
Aus Sicht der Beratungspraxis stellt die Entscheidung eine konsequente Fortsetzung der von der Rechtsprechung in Querverbundsfragen vorgenommenen „tätigkeitsbezogenen Betrachtungsweise“ dar, wonach stets durch die Brille eines objektivierten Betrachters auf den Kern der Betätigung im Sinne der Verkehrsanschauung zu blicken ist. Sind verschiedene Betätigungen einer öffentlichen Einrichtung nicht zweifelsfrei gleichartig und ihrer Art nach auch nicht demselben Gewerbezweig zuzuordnen, kommt es für die Frage einer Zusammenfassung nach der Entscheidung des BFH entscheidend darauf an, dass die Betätigungen einander wirtschaftlich und funktionell ergänzen. Jede Betätigung sollte folglich eine nicht zu vernachlässigende Unterstützung für die Ausübung der jeweils anderen Betätigung darstellen. Dass beide Betätigungen denselben Zweck verfolgen, genügt dafür nicht.
Für die Besteuerung öffentlicher Einrichtungen ist die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung. Die Betätigung öffentlicher Einrichtungen in vermeintlich atypischen Dienstleistungs- und Aktivitätsbereichen mehren sich. In den Fällen wo die sog. Nichtaufgriffsgrenze für Betriebe gewerblicher Art von 45.000 Euro pro Jahr – gewinnbringend – überschritten wird, liegt die Gestaltungsmöglichkeit mit der Wahlrechtsausübung zu einer Zusammenfassung nach § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 KStG mit defizitären Betrieben gewerblicher Art nah. Um eine nachträgliche Besteuerung zu vermeiden ist aber – und das zeigt das Urteil erneut – eine sorgfältige Qualifizierung der Tätigkeit unter Beachtung der "tätigkeitsbezogenen Betrachtungsweise“ vorzunehmen und (notfalls) mit der Finanzverwaltung abzustimmen.
Abschließend wirft die Entscheidung erneut die aktuelle Frage danach auf, ob ab einer gewissen Gleichartigkeit der Tätigkeiten der Einrichtungsbegriff im Sinne des § 4 Abs. 1 KStG enger auszulegen ist. Bereits in Tz. 2 des BMF-Schreibens vom 12.11.2009 teilt die Finanzverwaltung mit, dass zwei Bäder auch zwei BgAs darstellen, die zusammenfasst werden „können“. Im Umkehrschluss folgt hieraus der Grundsatz, dass mehrere Bäder – selbst, wenn sie etwa vom selben Amt verwaltet oder aus demselben Haushaltsprodukt finanziert werden – zunächst jeweils einen eigenen BgA begründen.
In der Beratungspraxis vertritt die Finanzverwaltung beim aktuellen Thema des Photovoltaikanlagenbetriebs hingegen vermehrt die Auffassung, dass die Gesamtheit aller kommunalen Anlagen „einen BgA“ begründet und nimmt den betroffenen Kommunen so das Wahlrecht der Zusammenfassung. Denn in den Fällen, in denen anlagenbezogen die Nichtaufgriffsgrenze von 45.000 € Jahresumsatz nicht erreicht wird, die Gesamtheit aller Anlagen hingegen über dieser Umsatzschwelle liegt, hängt von dieser Frage letztlich die Steuerpflicht der Photovoltaikanlagen ab. Richterlich wurde diese Frage nach unserer Kenntnis bislang noch nicht geklärt. Betroffene Kommunen sollten daher ihre Steuerbescheide im Einspruchsverfahren anfechten.
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