Bundesverfassungsgericht erklärt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG als mit dem Grundgesetz unvereinbar, soweit die Regelung eine Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften ausschließt

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit seinem heute veröffentlichten Beschluss vom 28. November 2023 – 2 BvL 8/13 – entschieden, dass die Regelung in § 6 Abs. 5 Satz 3 des EStG i.d.F. des UntStFG insoweit mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, als danach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zum Buchwert ausgeschlossen ist.

Hintergrund

Im Entscheidungssachverhalt veräußerte eine gewerblich tätige GmbH & Co. KG zwei bebaute Grundstücke aus ihrem Gesamthandsvermögen an eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft zu einem Kaufpreis in Höhe der Summe der bilanziellen Buchwerte. Die veräußernde Gesellschaft behandelte diese Übertragungsvorgänge steuerlich erfolgsneutral. Das Finanzamt war dagegen der Auffassung, dass der Verkauf zu einer vollständigen Aufdeckung der in den übertragenen Grundstücken enthaltenen stillen Reserven geführt habe. Das Finanzgericht Baden-Württemberg gab der hiergegen gerichteten Klage mit Urteil 13 K 1988/09 vom 19. Juli 2012 statt und entschied, dass die Übertragung eines Wirtschaftsguts des Gesamthandsvermögens einer Personengesellschaft auf eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft in entsprechender Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert erfolgen konnte. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat das auf Bestreben des Finanzamts eingeleitete Revisionsverfahren ausgesetzt und das BVerfG angerufen (siehe unseren Blogbeitrag).

Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

§ 6 Abs. 5 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts vom 20. Dezember 2001 (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG) ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen eine steuerneutrale Überführung bzw. Übertragung von Wirtschaftsgütern. Neben der Überführung eines Wirtschaftsguts zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen (§ 6 Abs. 5 Satz 1 und 2 EStG) erfasst die Vorschrift Wirtschaftsguttransfers innerhalb derselben Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 EStG) sowie verschiedene Konstellationen, in denen einen Übertragung zwischen dem (Mit-)Unternehmer und der Mitunternehmerschaft erfolgt (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1, Nr. 2 EStG).

Die im Entscheidungssachverhalt erfolgten Wirtschaftsguttransfers zwischen den Gesamthandsvermögen beteiligungsidentischer Schwesterpersonengesellschaften sind in § 6 Abs. 5 EStG dagegen nicht explizit genannt. Auch eine Erfassung durch § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG scheidet nach Auffassung des BVerfG aus, da mit dem Transfer eines Einzelwirtschaftsguts zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaften zivilrechtlich stets ein Rechtsträgerwechsel einhergeht und damit keine Überführung i.S.d. Vorschrift vorliegt. § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Transfer von Einzelwirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften von der Erstreckung der Buchwertübertragung auf weitere Fallgruppen erfasst ist. Eine analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG, wie von der ersten Instanz - dem FG Baden-Württemberg - vertreten, scheide ebenfalls aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. 

Wirtschaftsguttransfers zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften haben damit die Aufdeckung stiller Reserven zur Folge, obwohl es sich dabei ebenfalls um einen Wirtschaftsguttransfer im Kreis der Mitunternehmerschaft handelt und dieser - im Gegensatz zu den durch § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG privilegierten Konstellationen - nicht zu einer Verlagerung stiller Reserven auf einen anderen Steuerpflichtigen führt. Damit werden diese Vorgänge sowohl gegenüber Wirtschaftsguttransfers zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen als auch gegenüber anderen Wirtschaftsguttransfers im Kreis der Mitunternehmerschaft benachteiligt, was insoweit einen Verstoß von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG i.d.F. des UntStFG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG bedingt.

Folgen

Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, unverzüglich rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 (Zeitpunkt der erstmaligen Anwendbarkeit von § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG) eine Neuregelung zu treffen. Diese Verpflichtung erfasst zumindest alle noch nicht bestandskräftigen Entscheidungen, die auf der für verfassungswidrig erklärten Vorschrift beruhen. Bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung bleibt § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG mit der Maßgabe anwendbar, dass die Vorschrift mit Wirkung für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 auch gilt, soweit ein Wirtschaftsgut unentgeltlich aus dem Gesamthandsvermögen einer Mitunternehmerschaft in das Gesamthandsvermögen einer beteiligungsidentischen Personengesellschaft übertragen wird.

Eine englische Zusammenfassung des Beschlusses finden Sie hier.

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