Britische „remittance-base“-Besteuerung als Vorzugsbesteuerung und erweiterte beschränkte Steuerpflicht
Macht ein in Großbritannien ansässiger Steuerpflichtiger von seinem ihm nach britischem Steuerrecht zustehenden Wahlrecht Gebrauch, nicht in Großbritannien erzielte (hier: deutsche) Einkünfte auf „remittance basis“ zu versteuern, stellt dies nach Auffassung des Finanzgerichts München eine Vorzugsbesteuerung im Sinne von § 2 Außensteuergesetz dar. Zudem verstoße diese Vorschrift weder gegen Verfassungs- noch gegen Europarecht.
Hintergrund
Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. In den Jahren ab 1991 bis einschließlich 21. Dezember 2000 war sie in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig. Danach verzog sie von Deutschland nach London, wo sie seitdem mit ihrem Ehemann (Jahr der Eheschließung: 2001) lebte. Über einen inländischen Wohnsitz verfügte sie im Streitjahr 2006 nicht, die streitigen Einkünfte unterlagen auch nicht der beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Einkommensteuergesetz (EStG). Allerdings kam nach Auffassung des Finanzamts eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 AStG in Betracht.
Die Klägerin trug vor, die Besteuerung in England auf „remittance basis“ sei historisch gewachsen und daher Teil des „normalen“ englischen Einkommensteuerrechts. Mit einer Vorzugsbesteuerung in dem Sinne, dass gezielt der Zuzug von Steuerpflichtigen in den Geltungsbereich des britischen Steuerrechts forciert werden sollte, habe dies nichts zu tun.
Urteil des Finanzgerichts
Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen und entschied, dass die britische „remittance basis“-Besteuerung eine Vorzugsbesteuerung i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 AStG darstellt. Die Klägerin war damit nach Auffassung des Finangerichts im Streitjahr 2006 erweitert beschränkt einkommensteuerpflichtig (§ 2 AStG).
Das Finanzgericht beurteilte die „remittance basis“-Besteuerung als Vorzugsbesteuerung, weil für britische Staatsangehörige mit ständigem Wohnsitz und Aufenthalt im Vereinigten Königreich (nach dortigem Recht „resident“, „ordinary resident“ und „domiciled“) keine Besteuerung der streitgegenständlichen Kapitaleinkünfte auf „remittance basis“ vorgesehen war. Im Gegensatz dazu konnte die nach Großbritannien zugezogene Klägerin (nach dortigem Recht „non-domiciled“) die Einkünfte erst der britischen Besteuerung unterwerfen lassen, wenn diese nach Großbritannien überführt werden (Besteuerung auf „remittance basis“).
Das Besteuerungsrecht Deutschlands nach § 2 AStG wird nicht durch das für das Streitjahr anwendbare Doppelbesteuerungsabkommen (DBA-GB 1964) ausgeschlossen. Deutschland ist danach berechtigt, für die hier streitigen Zins -und Dividendeneinkünfte Einkommensteuer nach § 2 AStG zu erheben. Für diese Kapitaleinkünfte besteht unter dem für den Streitfall noch geltenden und inzwischen ausgelaufenen DBA 1964 zwar ein Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats gemäß Art. VI und VII des DBA-GB 1964. Das Besteuerungsrecht ist jedoch gemäß Art. II Abs. 2 DBA-GB 1964 auf Deutschland zurückgefallen: Art. II Abs. 2 DBA-GB 1964 (vgl. hierzu nunmehr auch der Art. 24 im neuen DBA-UK 2010) konkretisiere somit diese "subject-to-tax"-Klausel für die "remittance basis"-Besteuerung und führe im Ergebnis dazu, dass keine Befreiung von der deutschen Steuer verlangt werden könne, da die Zinseinkünfte in Großbritannien mangels Überweisung nicht besteuert würden.
Auch war das Finanzgericht nicht von der Verfassungswidrigkeit von § 2 AStG überzeugt. So sei, anders von der Klägerin vertreten, § 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG hinsichtlich der Tatbestandvoraussetzungen „Vorzugsbesteuerung“ und „erhebliche Minderung“ hinreichend bestimmt. Zudem verstoße die Anwendung des § 2 AStG nicht gegen vorrangiges Europarecht, insbesondere gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV).
Finanzgericht München, Urteil vom 26. März 2021 (8 K 883/17); die Revision ist beim BFH unter dem Az. IX R 37/21 anhängig.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.