EuGH zur Höhe und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung

In einem Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Ravensburg hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass ein Kreditgeber im Falle der vorzeitigen Kreditrückzahlung Anspruch auf seinen in diesem Zusammenhang entgangenen Gewinn, insbesondere die entgangenen Zinseinnahmen, hat. Die Berechnung habe unter Berücksichtigung einer angemessenen und objektiven pauschalen Rendite des vorzeitig zurückgezahlten Betrags zu erfolgen.

Hintergrund

Die Kläger des Ausgangsverfahrens (MW und CY) schlossen am 11. Januar 2019 mit der VR Bank Ravensburg-Weingarten eG (im Folgenden: VR Bank) einen Immobiliar-Verbraucherdarlehensvertrag zum Zweck des Erwerbs einer Eigentumswohnung. Der Sollzinssatz des Darlehens war gemäß dem Darlehensvertrag bis zum 30. Januar 2029 gebunden. Der Darlehensvertrag sah vor, dass die VR Bank im Falle der vorzeitigen Rückzahlung Anspruch auf Ersatz des daraus resultierenden Schadens hat. Am 19. Mai 2020 veräußerten MW und CY die (im Vorjahr erworbene) Immobilie und kündigten den Darlehensvertrag zum 30. Juni 2020. Am 9. Juni 2020 forderte die VR Bank von MW und CY eine Entschädigung für die vorzeitige Rückzahlung. Die Kläger zahlten diese Vorfälligkeitsentschädigung zunächst, forderten diese jedoch später wieder zurück. Begründung: Die VR Bank habe keinen Anspruch auf Erhalt der Vorfälligkeitsentschädigung, weil der Darlehensvertrag keine ausreichenden Angaben über die Berechnung der Entschädigung enthalte. Außerdem dürfe die Vorfälligkeitsentschädigung nach der Richtlinie 2014/17 nur eine Entschädigung für tatsächlich angefallene Kosten und nicht die dem Darlehensgeber entgehenden Zinsen bzw. den entgangenen Gewinn umfassen.

Entscheidung des EuGH

In Beantwortung der betreffenden Vorlagefragen stellt der EuGH zunächst klar, dass Artikel 25 der Richtlinie 2014/17/EU über das Recht der Verbraucher zur vorzeitigen Rückzahlung auch dann anwendbar ist, wenn der Verbraucher seine Verbindlichkeiten vorzeitig erfüllt, nachdem er seinen Wohnimmobilien-Verbraucherkreditvertrag unter den nach der nationalen Regelung vorgesehenen Voraussetzungen gekündigt hat.

Des Weiteren steht Absatz 3 der genannten Vorschrift einer nationalen Regelung nicht entgegen, die im Hinblick auf die Entschädigung des Kreditgebers im Fall der vorzeitigen Rückzahlung den dadurch entgangenen Gewinn des Kreditgebers berücksichtigt, insbesondere im Zusammenhang mit den restlichen, nicht mehr anfallenden Vertragszinsen. Es müsse sich allerdings um eine angemessene und objektive Entschädigung handeln, keine Vertragsstrafe gegen den Verbraucher verhängt werden und die Entschädigung dürfe den finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht überschreiten.

Die Mitgliedstaaten müssen, so der EuGH, dafür Sorge tragen, dass die vom Kreditgeber vorgenommene Berechnung seines entgangenen Gewinns unter Berücksichtigung der pauschalen Rendite des vorzeitig zurückgezahlten Betrags dazu führt, dass die Entschädigung angemessen und objektiv ist und den finanziellen Verlust des Kreditgebers nicht übersteigt. Die Richtlinie 2014/17 verlange nicht, dass bei dieser Berechnung berücksichtigt wird, in welcher Art der Kreditgeber den vorzeitig zurückgezahlten Betrag tatsächlich verwendet.

EuGH, Urteil vom 14. März 2024 (C‑536/22), VR Bank Ravensburg-Weingarten.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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