Update: Grunderwerbsteuerliche Konzernklausel: Teleologische Reduktion von § 6a Satz 4 GrEStG auch bei Einbringung zur Neugründung?
Das Sächsische Finanzgericht hat sich in einem aktuellen Urteil zu der Rechtsfrage geäußert, ob § 6a Satz 4 GrEStG auch bei der Einbringung zur Neugründung teleologisch zu reduzieren ist.
Sachverhalt
Die Klägerinnen, zwei inländische Kommanditgesellschaften, besaßen jeweils inländisches Grundvermögen. An den Klägerinnen war mittelbar zu 100% die ausländische C Company beteiligt, an welcher wiederum der Staat Z zu 100 % beteiligt war. Zum 19.1.2017 gründete der Staat Z eine weitere 100 %-ige Tochtergesellschaft, die I Company, und übertrug mit Wirkung zum 19.2.2017 sämtliche Anteile an der C Company auf die I Company.
Das Finanzamt setzte für diesen Übertragungsvorgang gegen die Klägerinnen jeweils Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2a GrEStG fest. Eine Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG (Umstrukturierungen im Konzern) gewährte es nicht. Unter anderem hiergegen wandten sich die Klägerinnen.
Richterliche Entscheidung
Nach der Entscheidung des Sächsischen Finanzgerichts ist der Übertragungsvorgang als sog. „Verlängerung der Beteiligungskette“ nach § 1 Abs. 2a GrEStG (was zunächst auch streitig gestellt wurde) steuerbar.
Der Übertragungsvorgang sei jedoch aus den folgenden Gründen nach § 6a GrEStG steuerbefreit:
- Aufgrund einer Art. 24 OECD-Musterabkommen ("Gleichbehandlung“) im Wesentlichen entsprechenden Bestimmung des betroffenen DBA sei § 6a GrEStG über den Wortlaut des Satzes 2 hinaus auch auf den vorliegenden Nicht-EU/EWR-Fall anzuwenden (vgl. unter I.3.a.). Eine Benennung des einschlägigen Absatzes sowie eine nähere Subsumtion/Begründung nimmt das FG nicht vor.
- Der Staat Z sei als herrschendes Unternehmen durch die über das Halten von Beteiligungen hinausgehende Ausübung von unternehmerischen Tätigkeiten in Form von Darlehensgewährungen, Investitionen sowie dem Betrieb eigenwirtschaftlicher Einrichtungen wirtschaftlich tätig gewesen (vgl. unter I.3.b.). Damit wird – soweit ersichtlich – erstmals durch ein Finanzgericht der vom BFH mit den Urteilen v. 21./22.8.2021 (II R 15-21/19) geprägte Begriff der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ weiter konkretisiert (vgl. zur weiterhin relativ unbestimmten Begriffsbestimmung der Finanzverwaltung GLE v. 25.5.2023).
- Die Vorbehaltensfrist nach § 6a Satz 4 GrEStG sei zwar nach dessen Wortlaut nicht erfüllt gewesen, weil die I Company erst einen Monat vor dem Übertragungsvorgang gegründet wurde. Unter Beachtung der vor und nach der Neugründung bestehenden Beteiligungsverhältnisse (rein konzerninterner Sachverhalt) lasse sich aber keine missbräuchliche Gestaltung und somit auch kein sachlicher Grund, den Übertragungsvorgang von der Begünstigung auszuschließen, erkennen (vgl. unter I.3.c.). Das Sächsische FG setzt sich in diesem Zusammenhang nicht mit den Urteilen des FG München v. 3.3.2022 (4 K 1241/21), FG Nürnberg v. 14.7.2022 (4 K 59/21) Hessischen FG v. 18.10.2022 (5 K 272/21) und v. 18.10.2022 (5 K 914/21) auseinander, in denen in Fällen von Umwandlungen bzw. Einbringungen zur Aufnahme eine teleologische Reduktion der Fristerfordernisse des § 6a Satz 4 GrEStG auch in den Fällen verneint wurde, in denen eine Missbrauchsmöglichkeit nicht bestand. Das Sächsische FG verweist zwar auf das BFH-Urteil v. 22.8.2019 (II R 17/19), nimmt aber keine Stellung dazu, warum der vorliegende Fall anders zu behandeln ist, als der vom BFH entschiedene. Dieser hatte die Anwendung des § 6a GrEStG abgelehnt, da die Muttergesellschaft die Vorbehaltensfrist hinsichtlich des übernehmenden Rechtsträgers nicht erfüllt hat und dies infolge der vorliegenden Verschmelzung zur Aufnahme rechtlich auch nicht unmöglich gewesen war. Ein Unterschied könnte dann bestehen, wenn eine „Einbringung zur Neugründung“/“Sachgründung“ vorliegt. In diesem Fall wäre nach Maßgabe der bestehenden BFH-Rechtsprechung die Vorbehaltensfrist unbeachtlich, da sie – in Abhängigkeit der ausländischen Rechtswertungen – aus rechtlichen Gründen (abhängige Gesellschaft entsteht erst mit der zu begünstigenden Umwandlung/Einbringung) ggf. nicht eingehalten werden kann.
Update (4. November 2024)
Das FG Nürnberg hat in seinem Urteil v. 25.4.2024 (4 K 990/22) zu dem nunmehr beim BFH unter dem Az. II R 13/24 anhängigen Verfahren (siehe Update v. 24.9.2024) für eine am 16.9.2021 erfolgte Sachgründung einer UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG, bei der der einzige Kommanditist seine Sacheinlageverpflichtung (Übertragung einer 90%-Beteiligung an einer grundbesitzenden GmbH) taggleich und in demselben notariell beurkundetem Vertrag erfüllte, entschieden, dass für den daraus resultierenden Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2b GrEStG die Begünstigung der sog. grunderwerbsteuerliche Konzernklausel in § 6a GrEStG (Nichterhebung der Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen im Konzern) nicht zu gewähren war. Grund hierfür war, dass die für die Anwendung von § 6a GrEStG erforderliche Vorbehaltensfrist i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG nicht eingehalten wurde, da (wegen der unmittelbar zuvor erfolgten Gründung der Übernehmerin) der übertragende Rechtsträger nicht mindestens 5 Jahre vor dem zu begünstigenden Rechtsvorgang an der übernehmenden, abhängigen Gesellschaft beteiligt war.
Die Urteilsgrundsätze des BFH, nach denen die Vorbehaltensfristen nur insoweit eingehalten werden müssen, als sie auch aufgrund eines begünstigten Umwandlungsvorgangs auch eingehalten werden können (etwa im Fall einer auf Umwandlungsrecht fußenden Ausgliederung zur Neugründung; vgl. etwa BFH v. 21.8.2019, II R 16/19, II R 21/19), waren nach Auffassung des FG auf den vorliegenden Fall einer „einfachen“ Sachgründung nicht anzuwenden, da die Nichteinhaltung der Vorbehaltens-frist nicht auf umwandlungsbedingten Gründen beruhte. Sachgründung und dingliche Einbringung seien jeweils zwei eigenständige und unabhängige zivilrechtliche Verträ-ge und kein einheitlicher Einbringungsvorgang, bei dem die Gesellschaft mit der Einbringung zwangsläufig entstehe (wie etwa im Fall der Ausgliederung zur Neugründung).
Ausdrücklich anders als das Sächsische FG (Urteil v. 9.11.2023, 2 K 939/20) verneinte das FG Nürnberg auch die Möglichkeit einer Miss-brauchsprüfung im Einzelfall (siehe zu dieser Frage bereits Hessisches FG v. 18.10.2022, 5 K 272/21 und 5 K 914/21 sowie FG Nürnberg v. 14.7.2022, 4 K 59/21). Das FG sah auch in der unterschiedlichen Behandlung der einfachen Sachgründung und der Ausgliederung zur Neugründung für Zwecke des § 6a GrEStG keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.
Update (24. September 2024)
Beim BFH ist unter dem Az. II R 13/24 (vorgehend FG Nürnberg v. 25.4.2024, 4 K 990/22) ein Verfahren zu der Frage anhängig, ob § 6a Satz 4 GrEStG - d.h. die Anfor-derung an die Erfüllung der Vorbehaltensfrist bei Anwendung der sog. grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel - auch bei einer Einbringung durch Sachgründung teleologisch zu reduzieren ist. Gegenstand des Verfahrens ist ein Erwerbsvorgang i.S.d. § 1 Abs. 2b GrEStG (Übergang von mindestens 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft auf neue Gesellschafter). Rechtsmittelführer ist der Steuerpflichtige.
Fundstelle
Sächsisches Finanzgericht, Urteil vom 9. November 2023 (2 K 939/20); die Revision ist beim BFH unter dem Az.: II R 33/23 anhängig.