Rückwirkende Anwendung des § 6e EStG zu Fondsetablierungskosten ist nicht verfassungswidrig
Das Finanzgericht Münster hat in einem aktuellen Urteil zu den Voraussetzungen des § 6e EStG, der Fondsetablierungskosten als Anschaffungskosten qualifiziert, Stellung genommen und entschieden, dass die Anwendung auf abgeschlossene Veranlagungszeiträume eine verfassungsrechtlich zulässige Rückwirkung darstellt.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt einen geschlossenen Schiffsfonds in Form einer GmbH & Co. KG. Nach ihrer Gründung im Jahr 2007 schloss sie zunächst einen Chartervertrag sowie einen Bauvertrag über einen noch herzustellenden Massengutfrachter ab. Für die Investition wurde ein Emissionsprospekt herausgegeben, auf dessen Grundlage sich die Anleger an der Klägerin beteiligten. Die angefallenen Weichkosten (z.B. für Finanzierung und Beratung bei der Konzeption) behandelte die Klägerin zunächst als Anschaffungskosten. Nachdem sich abgezeichnet hatte, dass eine zeitgerechte Fertigstellung des Schiffes nicht erfolgen würde, beschlossen der Verwaltungsbeirat und die Geschäftsführung der Klägerin, den Anlegern als Alternativkonzept eine Beteiligung an einer anderen GmbH & Co. KG anzubieten, die ein baugleiches Schiff erwerben sollte. In einer im Streitjahr 2010 abgehaltenen Gesellschafterversammlung wurden die Kündigung des Bauvertrags und die Beteiligung an der neuen Gesellschaft beschlossen.
Die Klägerin behandelte die bisher für das ursprünglich geplante Schiff aktivierten Anschaffungskosten aufgrund der Kündigung des Bauvertrags nunmehr als sofort abziehbare Betriebsausgaben. Das Finanzamt ging demgegenüber weiterhin von Anschaffungskosten aus und berief sich auf die damals gültige sog. „Vertragsgeflecht-Rechtsprechung“ des Bundesfinanzhofs. Zu der während des Klageverfahrens eingeführten Regelung des § 6e EStG vertrat die Klägerin die Auffassung, dass der sachliche Anwendungsbereich dieser Vorschrift nicht eröffnet sei und die rückwirkende Anordnung verfassungsrechtlich unzulässig sei.
Richterliche Entscheidung
Das Finanzgericht Münster hat die Klage abgewiesen.
Die streitigen Kosten seien nicht als sofort abziehbare Betriebsausgaben, sondern als Anschaffungskosten in der Ergänzungsbilanz bei der Untergesellschaft zu behandeln, denn es handele sich um Fondsetablierungskosten im Sinne von § 6e EStG. Dies gelte unabhängig davon, dass diese bereits von der Klägerin selbst für das ursprüngliche Investitionskonzept verausgabt worden waren. Die Beurteilung als „Aufwendungen der Anleger“ im Sinne des § 6e EStG habe auch auf der Ebene des Fonds und auf der Grundlage eines gedachten einheitlichen Erwerbsvorgangs zu erfolgen, bei dem die Anleger das Investitionsobjekt aufgrund eines Gesamtkaufpreises erwerben. Damit seien auch Kosten des Fonds aus der Zeit vor dem Beitritt der Anleger erfasst, die Teil der Erwerbsgestaltung sind. Auch nach Änderung des Investitionsobjekts habe weiterhin ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Kosten mit der Abwicklung des Projekts bestanden. Aus Sicht der Anleger sei unerheblich, ob die Klägerin selbst ein Schiff unterhält oder sich an einer Gesellschaft beteiligt, die ein baugleiches Schiff betreibt.
Die Anleger hätten ihre Beteiligungen auch auf Grundlage eines vorformulierten Vertragswerks angeschafft. Bei der ursprünglichen Investitionsvariante habe den Anlegern bei Beteiligungserwerb das Emissionsprospekt mit der wesentlichen Konzeption vorgelegen. Auch bei der letztlich umgesetzten Modifikation hätten sie faktisch keine Einflussnahmemöglichkeiten gehabt. Die Anleger hätten ausschließlich zwischen einer Auflösung der Klägerin und einer Beteiligung an der neuen KG wählen können.
Die gesetzlich angeordnete rückwirkende Anwendung des im Jahr 2019 eingeführten § 6e EStG auf bereits abgeschlossene Veranlagungszeiträume sei im Streitfall verfassungsrechtlich ausnahmsweise zulässig. Jedenfalls für Zeiträume bis zur Änderung der bisherigen Rechtsprechung durch das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. April 2018 (Az. IV R 33/15) habe aufgrund der gefestigten Rechtsprechung und der einhelligen Verwaltungspraxis zur Behandlung von Weichkosten bei modellartigen Gestaltungen kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen können. Danach seien die vorliegend streitigen Kosten als Anschaffungskosten zu behandeln gewesen. Die Klägerin habe daher nicht darauf vertrauen können, diese im Streitjahr 2010 sofort als Betriebsausgaben abziehen zu können.
Das Gericht hat die Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Fundstelle
Finanzgericht Münster, Urteil vom 24. Januar 2024 (12 K 357/18 F), siehe den Newsletter April 2024 des Finanzgerichts; die Revision ist beim BFH unter dem Az. IV R 6/24 anhängig.