EuGH: Umsatzsteuer bei unentgeltlicher Wärmeabgabe aus Biogas-Anlage

Aufgrund eines Vorabentscheidungsersuchens des Bundesfinanzhofs hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass es sich um eine der Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellte Entnahme eines Gegenstands handelt, wenn der Steuerpflichtige von ihm erzeugte Wärme unentgeltlich an andere Steuerpflichtige für deren wirtschaftliche Tätigkeit abgibt, wobei es nicht darauf ankommt, ob letztere die Wärme für Zwecke verwenden, die zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Hintergrund

Der Bundesfinanzhof hatte den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung zu Fragen der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Abgabe von Wärme aus einem mit einer Biogasanlage betriebenen Blockheizkraftwerk und der Berechnung der damit in Zusammenhang stehenden Selbstkosten gebeten. Konkret, ob es sich um die „Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen … als unentgeltliche Zuwendung“ im Sinne von Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG1 (MwStRL) handelt, wenn diese Wärme aus seinem Unternehmen unentgeltlich an einen anderen Steuerpflichtigen für dessen wirtschaftliche Tätigkeit abgibt.

Mehr Informationen zu dem Vorlagebeschluss des BFH finden Sie in unserem Blogbeitrag vom 2. April 2023.

Der BFH hält die Tatbestandsmerkmale einer unentgeltlichen Zuwendung eines Gegenstands im Sinne des in Art. 16 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie erwähnten dritten Falls („Entnahme für unternehmensfremde Zwecke“) für erfüllt. Er fragt sich jedoch, ob der Tatbestand der Entnahme als unentgeltliche Zuwendung nicht über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus durch eine zusätzliche Voraussetzung einzuschränken sei.

Entscheidung des EuGH

Zur ersten Frage: Art. 16 Abs. 1 der MwStRL ist dahin auszulegen, dass es sich um eine einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt gleichgestellte Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen als unentgeltliche Zuwendung im Sinne dieser Bestimmung handelt, wenn der Steuerpflichtige von ihm erzeugte Wärme unentgeltlich an andere Steuerpflichtige für deren wirtschaftliche Tätigkeit abgibt, wobei es hierfür nicht darauf ankommt, ob diese anderen Steuerpflichtigen die Wärme für Zwecke verwenden, die sie zum Vorsteuerabzug berechtigen.

Anhand des Wortlauts dieser Bestimmung ergebe sich nicht, dass eine zusätzliche Voraussetzung im Zusammenhang mit dem steuerlichen Status des Empfängers dieser Zuwendung insofern bestünde, als der Empfänger den zugewandten Gegenstand für Umsätze verwenden müsste, die zum Abzug der Mehrwertsteuer berechtigen. Die in Art. 16 Abs. 1 genannten Entnahmen unentgeltlich zugewandter Gegenstände sind nur dann von der Mehrwertsteuer ausgenommen, wenn es sich um Entnahmen für Geschenke von geringem Wert oder Warenmuster im Sinne von Art. 16 Abs. 2 der Mehrwertsteuerrichtlinie handelt.

Zwar habe der EuGH in Rn. 68 des Urteils vom 16. September 2020, Mitteldeutsche HartsteinIndustrie (C528/19), auf das sich der Kläger im Ausgangsverfahren (Y) beruft, entschieden, dass zugunsten einer Gemeinde durchgeführte Arbeiten zum Ausbau einer Gemeindestraße, die der Öffentlichkeit offensteht, aber im Rahmen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen, der diese Arbeiten unentgeltlich durchgeführt hat, von ihm sowie von der Öffentlichkeit genutzt wird, keinen Umsatz darstellen, der einer Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt im Sinne gleichzustellen ist. Diese Arbeiten, so der EuGH, kamen dem die Zuwendung vornehmenden Steuerpflichtigen zugute und wiesen einen direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit auf. Die Kosten der erhaltenen Eingangsleistungen, die mit diesen Arbeiten in Zusammenhang standen, waren Kostenelemente der von diesem Steuerpflichtigen getätigten Ausgangsumsätze. Dagegen gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die von Y entnommene und unentgeltlich zugewandte Wärme auch von Y genutzt worden wäre.

Zur zweiten und die dritte Frage: Art. 74 MwStRL ist dahin auszulegen, dass der Selbstkostenpreis im Sinne dieser Bestimmung nicht nur die unmittelbaren Herstellungs- oder Erzeugungskosten umfasst, sondern auch mittelbar zurechenbare Kosten wie Finanzierungsaufwendungen, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich um vorsteuerbelastete Kosten handelt oder nicht.

Aus Art. 74 der Mehrwertsteuerrichtlinie gehe eindeutig hervor, dass die Steuerbemessungsgrundlage für Gegenstände oder gleichartige Gegenstände nur dann der „Selbstkostenpreis“ ist, wenn es keinen Einkaufspreis gibt. Hierzu hatte der BFH ausgeführt, dass im vorliegenden Fall kein Einkaufspreis festgestellt werden könne, da die Empfänger der unentgeltlichen Zuwendungen nicht an ein Netz angeschlossen seien, das es ihnen ermöglichen würde, Wärme von Dritten gegen Entgelt zu beziehen. Es sei Sache des vorlegenden Gerichts, so der EuGH, diesen Umstand zu überprüfen.

Die Ermittlung des Selbstkostenpreises obliegt somit der Steuerbehörde unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte und erfordert eine eingehende Prüfung der Wertfaktoren, die zu diesem Preis führen können, der zu dem Zeitpunkt zu ermitteln ist, zu dem der Entnahmevorgang stattgefunden hat.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 25. April 2024 (C207/23), Finanzamt X.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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