Zu den Voraussetzungen einer Änderung gemäß § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs kann eine Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 Umsatzsteuergesetz gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Demgegenüber kommt es hierfür auf die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG, wonach der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer abtritt, nicht an.

Hintergrund:

Der Streitfall betrifft die Änderung der Steuerfestsetzung gem. § 27 Abs. 19 UStG in Bauträgerfällen. Der Gesetzgeber hatte den § 27 Abs. 19 UStG geschaffen, um den Vertrauensschutz auszuhebeln, der eine Änderung der Steuerfestsetzung der leistungserbringenden Handwerker ermöglicht. Zugleich ist in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG geregelt, dass das Finanzamt auf Antrag unter bestimmten Umständen zulassen kann, dass der leistende Handwerker seinen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Bauträger auf Zahlung der Umsatzsteuer an das Finanzamt abtritt. Hauptstreitpunkt der Beteiligten war die Frage, ob das Finanzamt nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG verpflichtet war, eine vom Kläger angebotene Abtretung anzunehmen, oder ob die Verletzung der Mitwirkungspflichten durch den Kläger - und eine ggf. hieraus folgende Verjährung - eine anzunehmende Ermessensreduktion der Finanzverwaltung auf Null ausschließt.

Entscheidung

Nachdem das Finanzgericht die Klage abgewiesen hatte, hielt auch der BFH die Revision des Klägers als im Ergebnis für unbegründet. Das Finanzgericht habe zwar zu Unrecht angenommen, dass der Änderung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG die Ablehnung eines Abtretungsangebots des bauleistenden Unternehmers durch das Finanzamt entgegenstehen kann. Es stelle sich aber gleichwohl als zutreffend dar, so der BFH, da es hierauf für die Anwendung von § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG nicht ankommt.

Nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG ist die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, wenn Unternehmer und Leistungsempfänger davon ausgegangen sind, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15.02.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet und sich diese Annahme als unrichtig herausstellt, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. § 176 der Abgabenordnung (AO) steht der Änderung nach Satz 1 nicht entgegen (§ 27 Abs. 19 Satz 2 UStG). Nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG kann das für den leistenden Unternehmer zuständige Finanzamt auf Antrag zulassen, dass der leistende Unternehmer dem Finanzamt den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt.

Eine Umsatzsteuerfestsetzung kann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer nur dann geändert werden, wenn ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Im Gegensatz zum Erfordernis eines abtretbaren Nachforderungsanspruchs kommt es für die Änderungsbefugnis nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG nicht darauf an, dass auch die Voraussetzungen des § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG vorliegen. § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG stelle nach seinem Wortlaut nicht auf die in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG genannten Voraussetzungen ab.

Danach erweisen sich für den BFH die abtretungsbezogenen Einwendungen des Klägers, mit denen er geltend macht, das Finanzamt habe ermessenswidrig sein Abtretungsangebot abgelehnt, da § 27 Abs. 19 UStG keine zeitlichen Vorgaben für die Erfüllung der Mitwirkungspflichten enthalte und deshalb die Änderung des Umsatzsteuerbescheides 2009 aus Gründen von Treu und Glauben rechtswidrig gewesen sei, als unbegründet. Denn es ist für die Rechtmäßigkeit des betreffenden Umsatzsteueränderungsbescheides vom 15.12.2014 unerheblich, dass der Kläger zuvor kein Abtretungsangebot abgegeben hatte, welches das Finanzamt hätte annehmen können oder das Gegenstand einer "Zulassung" im Sinne von § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG hätte sein können. Ebenso sei es unerheblich, dass der Kläger erstmalig am 30.12.2020 dem Finanzamt ein Abtretungsangebot unterbreitete, welches das Finanzamt dann abgelehnt hat. Über die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Abtretungsangebots, zum Beispiel aufgrund einer vom Finanzamt angenommenen Verletzung von Mitwirkungs- oder Rechnungserteilungspflichten, ist nicht im Festsetzungsverfahren, sondern in einem gesonderten, auf die Ablehnung des Abtretungsangebots bezogenen Verfahren zu entscheiden.

Somit war für die zwischen den Beteiligten streitige Frage der möglichen Verjährung eines Anspruchs des Klägers gegen den Leisungsempfänger ausschließlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids abzustellen. Im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides am 15.12.2014 war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn die Umsatzsteuererklärung 2009 wurde am 27.10.2010 abgegeben, so dass die Festsetzungsverjährung frühestens mit Ablauf des 31.12.2014 eintreten konnte.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 31. Januar 2024 (V R 24/21), veröffentlicht am 25. April 2024.

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