Beginn des Begünstigungszeitraums für die Einkommensteuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer

Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs beginnt der Begünstigungszeitraum des § 35b Satz 1 Einkommensteuergesetz zur Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer mit Entstehung der Erbschaftsteuer, regelmäßig mit dem Tod des Erblassers.

Hintergrund

Der Kläger ist der Alleinerbe der in 2010 verstorbenen W, zu deren Nachlass unter anderem zwei Beteiligungen an Kommanditgesellschaften gehörten. Aufgrund einer nahezu sechs Jahre andauernden Erbenermittlung in einem mehrinstanzlichen Erbscheinverfahren sowie personeller Engpässe im Nachlassgericht wurde erst am 02.03.2016 ein Erbschein ausgestellt, der den Kläger als Alleinerben auswies. Bis zur Erteilung des Erbscheins war der Kläger aufgrund der Bestellung eines Nachlass- und Verfahrenspflegers daran gehindert, über den Nachlass zu verfügen.Mit Wirkung zum 01.01.2017 veräußerte der Kläger die KG-Beteiligungen und erzielte dabei einen Veräußerungsgewinn.

In der Einkommensteuererklärung für 2017 machte der Kläger hinsichtlich dieser Veräußerungen die Steuerermäßigung nach § 35b Einkommensteuergesetz (EStG) geltend. Dies lehnte das Finanzamt ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Die Gewährung der Steuerermäßigung nach § 35b EStG setze voraus, so das Finanzgericht, dass bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden seien, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen hätten. Dies sei hier nicht der Fall, da zwischen dem Tod der W und der Veräußerung der KG-Beteiligungen rund sechs Jahre vergangen seien.

Entscheidung des BFH

Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die beantragte Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer gemäß § 35b Satz 1 EStG nicht vorliegen. Denn diese Einkünfte haben nicht im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen.

Einkünfte haben in dem Zeitpunkt "der Erbschaftsteuer unterlegen", in dem die Erbschaftsteuer für den korrespondierenden Erwerb nach Maßgabe von § 38 Abgabenordnung i.V.m. § 9 ErbStG rechtlich entstanden ist. Dies ist bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tod des Erblassers der Fall. Dieser materielle Steueranspruch ist unabhängig von der Steuerfestsetzung.

Während die Gesetzesfassung des § 35b EStG mit der Überschrift mehrdeutig ist (mit der Formulierung "der Erbschaftsteuer unterlegen" kann der Zeitpunkt der Entstehung, aber auch der Zeitpunkt der Festsetzung der Erbschaftsteuer gemeint sein), spricht die Gesetzessystematik einschließlich der Notwendigkeit, die Berechnung der Ermäßigung auch tatsächlich durchführen zu können, für eine Anknüpfung an den Entstehungszeitpunkt der Erbschaftsteuer. Weder aus dem Normzweck noch aus der Gesetzgebungsgeschichte sei etwas Gegenteiliges herzuleiten, so der BFH. Zudem stellt nur die Anknüpfung an den Zeitpunkt der Entstehung der Erbschaftsteuer sicher, dass der Umfang einer etwaigen Doppelbelastung innerhalb des Begünstigungszeitraums auch tatsächlich noch ermittelt werden kann. Das zeigt sich auch im Streitfall, in dem hätte festgestellt werden müssen, in welchem Umfang die der Einkommensbesteuerung unterworfenen stillen Reserven auch bereits im Rahmen des Erbanfalls vorhanden waren und erbschaftsteuerpflichtig gewesen sind. Je länger der maßgebende Stichtag zurückliegt, desto größere Schwierigkeiten können sich diesbezüglich ergeben.

Nach Dafürhalten des BFH ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn aufgrund der Begrenzung des Begünstigungszeitraums auf fünf Jahre zum einen der Erwerb der Beteiligungen mit Erbschaftsteuer und zum anderen ihre Veräußerung mit Einkommensteuer belastet wird. Weder ist der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, noch ist eine etwaige verfassungsrechtlich zu beachtende Belastungsgrenze überschritten.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 28. November 2023, X R 20/21 – veröffentlicht am 2. Mai 2024.

Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.

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