Zufluss nicht ausgezahlter Tantiemen bei beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer
Tantiemeforderungen, die in den festgestellten Jahresabschlüssen nicht ausgewiesen sind, fließen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu, auch wenn eine dahingehende Verbindlichkeit nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung in den (festgestellten) Jahresabschlüssen hätte gebildet werden müssen (a.A. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 12.05.2014, BStBl I 2014, 860). Dies hat der BFH in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Der Kläger ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH. Nach § 3 des Geschäftsführervertrags erhält der Kläger für seine Tätigkeit ein monatliches Bruttogehalt. Des Weiteren ist ihm darin eine Tantieme in Höhe von 20 % des Jahresgewinns zugesagt, die einen Monat nach Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung zu zahlen und der Höhe nach auf maximal 30 % der Festvergütung begrenzt ist.
Die vereinbarten Tantiemen wurden dem Kläger in den Streitjahren (2015 bis 2017) weder ausgezahlt noch hat die GmbH in den Jahresabschlüssen entsprechende Passivposten gebildet.
In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gab der Kläger Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit ohne Tantiemen an. Das Finanzamt veranlagte ihn zunächst erklärungsgemäß.
Im Anschluss an eine Lohnsteuer-Außenprüfung bei der GmbH ging das FA sodann davon aus, dass auch die nicht ausgezahlten Tantiemen jeweils in der vereinbarten Höhe von 20 % des Gewinns des Vorjahres vom Kläger als Arbeitslohn zu versteuern seien, und änderte die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjähre insoweit als es den Arbeitslohn des Klägers erhöhte. Denn bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer gälten Tantiemen zum Zeitpunkt der Bilanzerstellung als zugeflossen. Ob sie tatsächlich ausgezahlt worden seien, sei unerheblich, da es der Gesellschafter-Geschäftsführer selbst in der Hand habe, sich die Tantiemen auszahlen zu lassen.
Die Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg hatte Erfolg. Vereinbarte, aber nicht ausgezahlte Tantiemen flössen auch einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht zu, wenn bei der Gesellschaft keine entsprechende Verbindlichkeit passiviert worden sei und sich die Tantiemen deshalb weder in den Streitjahren noch in späteren Zeiträumen mindernd auf das Einkommen der Gesellschaft ausgewirkt hätten.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer fließen Einnahmen aus Tantiemeforderungen gegen seine Kapitalgesellschaft bereits bei Fälligkeit zu (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Fällig wird der Tantiemeanspruch mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbart haben.
Die GmbH hat die Tantiemeforderungen des Klägers in ihren Jahresabschlüssen nicht als Verbindlichkeit abgebildet. Diese Jahresabschlüsse hat die Gesellschafterversammlung der GmbH entsprechend (unverändert) festgestellt. Folglich waren die streitigen Tantiemeansprüche nicht fällig. Ob die dahingehenden Verbindlichkeiten nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung hätten passiviert werden müssen, ist insoweit unerheblich (a.A. BMF-Schreiben vom 12.05.2014, BStBl I 2014, 860).
Denn ein dahingehender Pflichtenverstoß vermag die Fälligkeit einer im festgestellten Jahresabschluss nicht enthaltenen Tantiemeforderung nicht zu begründen.
Deshalb ist insoweit auch ohne Bedeutung, ob die fehlende Passivierung einer Verbindlichkeit einem Buchungsfehler geschuldet war, oder ob eine Bilanzierung aus anderen Gründen von vornherein nicht in Betracht kam, etwa weil die Tantiemezusage vor der Entstehung der darin vereinbarten Tantiemeansprüche einvernehmlich aufgehoben worden ist.
Die Feststellungen des Finanzgerichts reichen allerdings nicht aus, um entscheiden zu können, ob dem Kläger die Forderungswerte der Tantiemeansprüche zugeflossen sind, weil er durch einen Verzicht auf seine Tantiemeansprüche eine verdeckte Einlage in die GmbH erbracht hat.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 5. Juni 2024 (VI R 20/22), veröffentlicht am 4. Juli 2024.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.