Zur Berücksichtigung von Verlusten nach § 17 Abs. 4 EStG und § 20 Abs. 2 EStG - Kein Wahlrecht bezüglich der BFH-Vertrauensschutzregelung
Die Existenz des mit dem Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften geschaffenen Wahlrechts des Steuerpflichtigen, auch für Veräußerungen vor dem 31.07.2019 rückwirkend die Neuregelung des § 17 Abs. 2a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Anspruch zu nehmen (§ 52 Abs. 25a Satz 2 EStG), lässt die im Senatsurteil vom 11.07.2017, IX R 36/15 (BStBl II 2019, 208, Rz 41) angeordnete befristete Fortgeltung der herkömmlichen Rechtsgrundsätze zur Behandlung von (ehemals) eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen im Rahmen des § 17 EStG nicht entfallen. Steuerpflichtige können im Fall der Nichtausübung des Wahlrechts nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG nicht auf die Anwendung dieser Fortgeltungsanordnung verzichten. Dies hat der BFH in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Streitig ist die steuerliche Berücksichtigung des Ausfalls von Darlehen im Zusammenhang mit der Auflösung einer Kapitalgesellschaft.
Der Kläger war zu 80 % an einer GmbH beteiligt, die einen Speditionsbetrieb unterhielt. Im Jahr 2015 hatte er der GmbH Darlehen in Höhe von 150.000 Euro gewährt. Im Streitjahr 2016 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet.
Gegenüber dem beklagten Finanzamt begehrte der Kläger - neben dem Verlust des Stammkapitals - die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaftsverpflichtung sowie den Ausfall der Darlehen im Rahmen des § 17 EStG bzw. (später im Klageverfahren nach) § 20 EStG zu berücksichtigen. Im Laufe des Verfahrens bestätigte der Insolvenzverwalter, dass bereits bei Insolvenzeröffnung nicht damit zu rechnen gewesen sei, dass an den Kläger als Gesellschafter der GmbH im Rahmen des Insolvenzverfahrens Zahlungen fließen würden. Das Finanzamt lehnte eine Verlustberücksichtigung ab, da die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft weiterhin strittig und der Verlust im Streitjahr damit insgesamt nicht hinreichend konkretisiert gewesen sei.
Die Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte Erfolg.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision stattgegeben, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Das Finanzgericht hat mit rechtsfehlerhafter Begründung den Ausfall der Darlehensrückzahlungsansprüche des Klägers den Einkünften aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zugeordnet. Es ist nicht auszuschließen, dass dieser Verlust ganz oder zumindest teilweise den Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG zuzuordnen ist, sodass das Urteil aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuverweisen ist.
Der BFH kann auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des Finanzgericht nicht abschließend befinden, in welcher Höhe für den Kläger aus der insolvenzbedingten Auflösung der GmbH im Streitjahr Verluste anzuerkennen sind. Feststellungen hierzu wird das Finanzgericht im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.
Zunächst wird die Vorinstanz zu ermitteln haben, wann der Eintritt der Krise der GmbH erfolgte. Sollte die Krise vor der Gewährung der streitgegenständlichen Darlehen eingetreten sein, wären diese als krisenbedingte Darlehen mit ihrem Nennbetrag als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften aus § 17 EStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 24.04.1997, VIII R 16/94, BStBl II 1999, 339, unter II.3.b, m.w.N.).
Sofern die Krise dagegen erst nach der Darlehensgewährung eingetreten sein sollte, hätte die Vorinstanz auch zu ermitteln, inwiefern die Darlehen für die Krise bestimmt gewesen wären und somit eine Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten als krisenbestimmte Darlehen zu erfolgen hätte (vgl. BFH-Urteil vom 24.04.1997, VIII R 16/94, BStBl II 1999, 339, unter II.3.c, m.w.N.).
Sollte das Finanzgericht nicht zu der Feststellung gelangen, dass die Darlehen vor Eintritt der Krise gewährt worden und die Darlehen nicht krisenbestimmt gewesen wären, müsste es den Wert der Rückzahlungsansprüche der Darlehen in dem Zeitpunkt, in dem der Kläger sie mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abgezogen hätte (stehengelassenes Darlehen), ermitteln. Mit diesem Wert wäre der Ausfall als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen (BFH-Urteil vom 24.04.1997 - VIII R 16/94, BFHE 183, 402, BStBl II 1999, 339, unter II.3.b, m.w.N.).
Fundstelle
BFH, Urteil vom 20. Februar 2024 (IX R 12/23), veröffentlicht am 25. Juli 2024.