Zuordnung von erstmalig zuzurechnendem Einkommen einer Organgesellschaft im Rahmen der Spartenrechnung des Organträgers
Bei Aufnahme einer weiteren Tätigkeit durch eine Kapitalgesellschaft, auf die § 8 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) Anwendung findet, ist erst mit der getrennten Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte und mit dem Unterlassen einer Verlustverrechnung oder eines Verlustabzugs (§ 8 Abs. 9 Satz 2, 4 und 5 KStG) eine Entscheidung darüber verbunden, ob eine neue, gesonderte Sparte im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 3 Halbsatz 1 KStG vorliegt. Dies gilt entsprechend für den Veranlagungszeitraum, in dem eine Organschaft neu begründet wird. Dies hat der BFH in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Zwischen der Klägerin, einer GmbH, deren Alleingesellschafterin eine Stadt ist, und der A-GmbH, an der die Klägerin etwa 95 % der Anteile hielt und deren Unternehmensgegenstand die Beförderung von Personen und Gegenständen mit Kraftfahrzeugen und Bahnen war, bestand seit 2001 ein Gewinnabführungsvertrag und eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft. Zudem war die Klägerin ‑neben weiteren Beteiligungen‑ mit über 50 % an der im Bereich diverser Versorgungstätigkeiten tätigen B-AG beteiligt.
Nach der Einführung der sogenannten Spartenrechnung durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) bildete die Klägerin zum Beginn des Jahres 2009 für die Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte die Sparte "Verkehr und Versorgung" (Sparte 1) einerseits sowie die Sparte "Immobilienwirtschaft" (Sparte 2) andererseits. Der Sparte 1 waren aus Sicht der Klägerin ‑neben weiteren Beteiligungen‑ das ihr im Rahmen der Organschaft zugerechnete Einkommen der A-GmbH sowie die von der B-AG bezogenen Dividenden zuzuordnen. Dementsprechend reichte die Klägerin ihre Steuererklärung für das Jahr 2009 im März 2011 ein. Mit Wirkung ab 01.01.2010 begründete sie durch den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft mit der B-AG.
Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das zu diesem Zeitpunkt für die Besteuerung der Klägerin zuständige Finanzamt A davon aus, dass im Jahr 2009 neben der "Immobilienwirtschaft" (Sparte 2) als weitere Sparte nur die Sparte "Verkehr" (Sparte 1) bestanden habe. Die Begründung der Organschaft zwischen der Klägerin und der B-AG im Jahr 2010 habe zur Bildung einer neuen und dabei die Bereiche "Verkehr und Versorgung" umfassenden Sparte (Sparte 3) geführt, da die Tätigkeit der Organgesellschaft nicht gleichartig im Sinne des § 8 Abs. 9 Satz 3 KStG zu einer bereits bestehenden Sparte der Organträgerin sei. Die Verlustvorträge aus der Sparte 1 seien einzufrieren und könnten erst dann aufleben, wenn wieder nur noch eine Sparte "Verkehr" bestehe. In der Folge erließ das Finanzamt A entsprechende Änderungsbescheide für die Jahre 2009 bis 2011 (Streitjahre), gegen welche die Klägerin ohne Erfolg Einspruch einlegte.
Der hiergegen gerichteten Klage gab das Hessische Finanzgericht mit Gerichtsbescheid überwiegend statt.
Hiergegen hat sich das Finanzamt A mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision gewandt. Während des zuletzt unter dem Aktenzeichen V R 51/20 geführten Revisionsverfahrens ist infolge einer Neuorganisation der Finanzbehörden der nunmehrige Beklagte und Revisionskläger Finanzamt B für die Besteuerung der Klägerin zuständig geworden. Mit Beschluss vom 12.03.2024 - V R 51/20 hat der erkennende Senat das Verfahren betreffend Körperschaftsteuer 2009, gesonderter Feststellung zur Körperschaftsteuer 2010 und 2011, gesonderter Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2009 und 31.12.2010 in den Fällen des § 8 Abs. 9 KStG, gesonderter Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 und 31.12.2010 sowie Zerlegung der Gewerbesteuermessbeträge 2010 und 2011 gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter dem hier vorliegenden Aktenzeichen abgetrennt.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.
Hinsichtlich des Bescheids über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 KStG zum 31.12.2010 und des Bescheids über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2010 ist die Klage ‑anders als es das Finanzgericht ngenommen hat‑ bereits unzulässig. Die Klägerin ist insoweit nicht beschwert (§ 40 Abs. 2 FGO), da die von ihr für das Streitjahr 2010 begehrte Verrechnung der Verluste aus der Sparte 1 mit den vom Finanzamt A für die Sparte 3 festgestellten ‑jeweils positiven‑ Beträgen für den Gesamtbetrag der Einkünfte sowie den Gewerbeertrag zur Folge hätte, dass für die Sparte 1 nur noch ein geringerer Verlustvortrag und ein geringerer vortragsfähiger Gewerbeverlust festzustellen wären.
Die Klage, soweit sie sich gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2009 und gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verlustvorträge in den Fällen des § 8 Abs. 9 KStG zum 31.12.2009 sowie den Bescheid über die Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2009 richtet, ist unzulässig, da eine Rechtsverletzung nicht hinreichend geltend gemacht ist (§ 40 Abs. 2 FGO).
Die gegen die Bescheide über die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags 2010 und 2011 gerichtete Klage ist aufgrund der vorrangigen Anfechtung der Gewerbesteuermessbescheide unbegründet. Der Gewerbesteuermessbescheid ist insbesondere hinsichtlich des Steuermessbetrags Grundlagenbescheid für den Zerlegungsbescheid (BFH-Urteile vom 13.05.1993 - IV R 1/91, BStBl II 1993, 828; vom 20.04.1999 - VIII R 13/97, BStBl II 1999, 542; vom 28.06.2000 - I R 84/98, BStBl II 2001, 3). In der Folge ist eine Klage gegen den Zerlegungsbescheid unbegründet, die mit der Begründung erhoben wird, ein niedrigerer Gewerbesteuermessbetrag sei nach § 8 Abs. 9 Satz 5 KStG i.V.m. § 10a Satz 9 GewStG festzusetzen.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 14. März 2024 (V R 2/24), veröffentlicht am 25. Juli 2024.