Anwendung der strengen Trennungstheorie bei teilentgeltlicher Übertragung von Anteilen i.S.v. § 17 EStG und Immobilien nach § 23 EStG

Das Niedersächsische Finanzgericht hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass kein teilentgeltliches privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliege, wenn bei einer Grundstücksübertragung das Teilentgelt geringer ist als die historischen Anschaffungskosten des Veräußerers.

Sachverhalt

Im Streitfall übertrug der Kläger im VZ 2019 eine im Jahr 2014 erworbene Immobilie im Wege vorweggenommener Erbfolge an seine Tochter. Diese zahlte keinen Kaufpreis in bar, übernahm jedoch das Bankdarlehen, welches der Kläger bei der Anschaffung aufgenommen hatte. Das Darlehen valutierte zum Zeitpunkt der Grundstücksübertragung unter den historischen Anschaffungskosten des Klägers.

Das Finanzamt nahm an, dass das Entgelt (in Höhe der übernommenen Bankschulden) ins Verhältnis zum Verkehrswert des Grundstücks zu setzen sei, woraus sich ergebe, dass zu ca. 55% ein entgeltliches, nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vorliege.

Vom Veräußerungspreis seien anteilig (ca. 55%) die Anschaffungskosten, die seit 2014 abgezogene AfA und die Veräußerungskosten (Vorfälligkeitsentschädigung an die finanzierende Bank) abzuziehen, woraus sich der Veräußerungsgewinn ergebe. Der Veräußerungsgewinn sei nach der strengen Trennungstheorie zu ermitteln. Die Finanzverwaltung sei diesbezüglich an die BMF-Schreiben vom 13.1.1993 (BStBl. I 1993, 80) und 26.2.2007 (BStBl. I 2007, 269) gebunden.

Richterliche Entscheidung

Das Niedersächsische Finanzgericht hat der Klage stattgegeben und entschieden, dass die strenge Trennungstheorie jedenfalls nicht auf Veräußerungsgeschäfte im Privatvermögen angewendet werden dürfe, bei denen der Veräußerer noch nicht einmal seine historischen Anschaffungskosten zurückerhalte.

Andernfalls würde ein Rechtsvorgang doppelt besteuert, nämlich mit Einkommen- und Schenkungsteuer, bei dem – unter dem Strich – die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Veräußerers gesunken sei. Der Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als Ausdruck des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) gebiete eine teleologische Reduktion des § 23 EStG dahingehend, dass der Vorgang im Einkommensteuerrecht als nicht steuerbar zu behandeln sei.

Das Finanzgericht hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), über die Einlegung ist noch nichts bekannt.

Fundstelle

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 29. Mai 2024 (3 K 36/24), die Revision wurde zugelassen, über die Einlegung ist noch nichts bekannt; siehe den Newsletter 8/2024 des Finanzgerichts.

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