Besteuerung des Einbringungsgewinns beim originär Einbringenden im Falle einer Sperrfristverletzung durch den unentgeltlichen Rechtsnachfolger

Das Finanzgericht München hat in einem aktuellen Urteil entschieden, dass ein Einbringungsgewinn I im Falle einer Sperrfristverletzung durch den (unentgeltlichen) Rechtsnachfolger beim originär Einbringenden zu besteuern ist. Das Finanzgericht stützt mit dem Urteil die Auffassung der Verwaltung in Rn. 22.41 UmwStE 2011 zu § 22 Abs. 6 UmwStG, die im Entwurf für einen neuen Umwandlungssteuererlass v. 11.10.23 unverändert enthalten ist.

Sachverhalt

A war im Streitjahr 2007 als Kommanditistin an einer KG beteiligt. Mit Vertrag vom 11.07.2008 wurde die KG mit steuerlicher Rückwirkung zum 31.12.2007 im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme in die D AG gem. § 20 Abs. 2 UmwStG steuerlich zu Buchwerten umgewandelt. Die erhaltenen Anteile waren damit nach § 22 Abs. 1 UmwStG sperrfristbehaftet. A verstarb am im April 2011 und die Klägerin (eine Stiftung) erbte die Aktien an der D AG. Die Klägerin veräußerte die von A geerbten Aktien an der D AG im Juli 2011 an die E AG.

Im Nachgang an eine Betriebsprüfung vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass dem Rechtsvorgänger und nicht der Stiftung als Rechtsnachfolgerin ein Einbringungsgewinn I nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG aufgrund der Veräußerung der AG-Aktien durch die Klägerin im Jahr 2011 zuzurechnen sei.

Richterliche Entscheidung

Das Finanzgericht München weist die Klage als unbegründet zurück und folgt der Auffassung des Finanzamts, dass der Einbringungsgewinn beim originär Einbringenden zu versteuern sei.

§ 22 Abs. 6 UmwStG sei nicht dahingehend auszulegen, dass im Falle einer unentgeltlichen Rechtsnachfolge ein durch den Rechtsnachfolger ausgelöster Einbringungsgewinn I im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG fiktiv als Gewinn des Rechtsnachfolgers statt als Gewinn des ursprünglich Einbringenden gelte.

Für die strittige Rechtsfrage führe eine Auslegung nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 6 UmwStG, nach der Historie oder dem Normzweck des § 22 UmwStG nicht zu einem eindeutigen Ergebnis (Rn. 37 ff.).

Dass der Einbringungsgewinn I dem originär Einbringenden zuzurechnen sei, ergebe sich im Wege der systematischen Auslegung, die der Gesetzgeber zur Umsetzung des Normzwecks gewählt habe (Rn. 49 ff.). Danach sei das Gesetz systematisch so auszulegen, als dass § 22 UmwStG insgesamt nicht auf die Verhältnisse zum Veräußerungszeitpunkt abstellen würde, sondern auf die Verhältnisse zum Einbringungszeitpunkt. Zu diesem Zeitpunkt war in den Fällen des § 22 Abs. 6 UmwStG die Rechtsnachfolge noch nicht eingetreten.

Es liefe der Systematik des § 22 UmwStG zuwider, wenn § 22 Abs. 6 UmwStG durch einen rückwirkenden fiktiven Austausch des Zuordnungssubjekts die Verhältnisse des Rechtsnachfolgers zu den maßgeblichen machen würde und auf diese Weise etwa einen zum Zeitpunkt der Einbringung beim Einbringenden der Einkommensteuer unterliegenden Einbringungsgewinn I bei einem körperschaftsteuerpflichtigen unentgeltlichen Rechtsnachfolger (in Fällen, in denen kein vorheriger Ersatzrealisationstatbestand im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 1 UmwStG gegeben sei) stattdessen der Körperschaftsteuer unterstellen würde (hier bei der Stiftung).

Der Norm des § 22 Abs. 6 UmwStG sei nicht zu entnehmen, dass eine solche Durchbrechung der Systematik des § 22 UmwStG vorgesehen wäre, die sich – ohne dass dies zur Erreichung des Normzwecks erforderlich wäre – auch auf die Rechtsfolgenseite erstrecke.

Fundstelle

Finanzgericht München, Urteil vom 9. Februar 2024 (8 K 602/23); die Revision ist beim BFH unter dem Az. X R 8/24 anhängig.

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