Grunderwerbsteuer bei Erwerb von Gesellschaftsanteilen durch einen Treuhänder

Ein Treuhänder kann den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes erfüllen, wenn sich in seiner Hand erstmalig alle Anteile einer grundbesitzenden GmbH unmittelbar oder mittelbar vereinigen. Es kommt nicht darauf an, dass der Treuhänder einen Teil der Anteile für Rechnung seines Auftraggebers (Treugeber) erwirbt. Dies hat der BFH in einem aktuellen Urteil entschieden.

Sachverhalt

Streitig ist die Frage, ob der Erwerb von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft durch einen Treuhänder im Streitjahr 2012 bei diesem der Grunderwerbsteuer i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass dies nicht der Fall sei, da ein zivilrechtlich und steuerrechtlich anzuerkennendes Treuhandverhältnis einer Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG entgegen stehe.

Die Klage vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH folgte der Argumentation der Kläger nicht.

Durch den notariell beurkundeten Vertrag vom 10.08.2012 haben sich erstmals alle Anteile an der grundbesitzenden Y GmbH in der Hand des Klägers vereinigt.

Die mögliche Anteilsvereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG kann dadurch erfolgen, dass sich die Anteile in der Hand des Erwerbers teils unmittelbar und teils mittelbar vereinigen (BFH-Urteil vom 04.03.2020, II R 2/17, BStBl II 2020, 511, Rz 15).

Der Erwerber erwirbt einen Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar, wenn er zivilrechtlich Gesellschafter dieser Gesellschaft wird (BFH-Urteil vom 27.09.2017, II R 41/15, BStBl II 2018, 667, Rz 14). Dies gilt auch für einen Treuhänder, der die sich in seiner Hand vereinigenden Anteile der grundbesitzenden Gesellschaft für Rechnung seines Auftraggebers (Treugeber) erwirbt. Er kann Erwerber im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG sein (vgl. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.09.2018, BStBl I 2018, 1074, Tz 3.1; vgl. auch Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 20. Aufl., § 1 Rz 1167).

Ein Treuhandverhältnis kann unter anderem dadurch begründet werden, dass der Treuhänder Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft im Auftrag des Treugebers von einem Dritten erwirbt (Erwerbstreuhand; vgl. Meßbacher-Hönsch in Viskorf, Grunderwerbsteuergesetz, 20. Aufl., § 1 Rz 128). Der Treuhänder ist dann unmittelbarer und der Treugeber mittelbarer Gesellschafter (vgl. BFH-Urteil vom 03.03.2015, II R 30/13, BStBl II 2015, 777, Rz 16).

Die BFH-Rechtsprechung zur Steuerbarkeit der mittelbaren Änderung des Gesellschafterbestands nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei Personengesellschaften durch schuldrechtliche Bindungen hinsichtlich des Anteils am Gesellschaftsvermögen (z.B. BFH-Urteil vom 09.07.2014, II R 49/12, BStBl II 2016, 57) steht der Annahme einer nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG steuerbaren Anteilsvereinigung bei Erwerb durch einen Treuhänder nicht entgegen. Sie ist zu anderen Sachverhalten ergangen. Sie enthält keine Aussage zu der Frage, ob auch in der Hand eines Treuhänders, der zivilrechtlicher Eigentümer von Gesellschaftsanteilen wird, durch die Übertragung dieser Anteile, die zu einer erstmaligen Vereinigung von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile führt, der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklicht werden kann.

Auch hindert das BFH-Urteil vom 03.03.2015, II R 30/13 (BStBl II 2015, 777) nicht die Annahme einer steuerbaren Anteilsvereinigung bei dem erwerbenden Treuhänder. Diese Entscheidung besagt lediglich, dass bei Begründung eines Treuhandverhältnisses hinsichtlich eines Anteils an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft der Treuhänder unmittelbarer und der Treugeber mittelbarer Gesellschafter ist (Rz 16 des Urteils). Danach erfüllt auch der Treuhänder den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG, wenn er Inhaber von mindestens 95 % der Gesellschaftsanteile und dadurch unmittelbarer Gesellschafter der Gesellschaft wird.

Schließlich führt auch die BFH-Rechtsprechung, nach der die bloße Auswechslung eines Treuhänders nicht zu einem steuerbaren Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG führt (z.B. BFH-Urteil vom 16.07.1997, II R 8/95, BFH/NV 1998, 81), nicht zu einem anderen Ergebnis. Diese Rechtsprechung erging zu der Frage, ob der Treugeber den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG bei der Auswechslung des Treuhänders erfüllt, wenn sich Anteile an einer Gesellschaft mittelbar in seiner Hand vereinigen. Die im vorliegenden Fall zu beurteilende Frage, ob ein Treuhänder bei dem unmittelbaren (Zu-)Erwerb von Gesellschaftsanteilen den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklichen kann, betrifft einen anderen Sachverhalt, zu dem die zitierte Rechtsprechung keine Aussage enthält.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 10. April 2024 (II R 34/21), veröffentlicht am 22. August 2024.

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