Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags für eine Photovoltaikanlage
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob ein im Jahr 2021 in Abzug gebrachter Investitionsabzugsbetrag für eine im Jahr 2022 tatsächlich erworbene und nach § 3 Nr. 72 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerbefreite Photovoltaikanlage allein wegen des Inkrafttretens dieser Steuerbefreiung gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG im Jahr 2021 rückgängig zu machen ist. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Beschluss entschieden.
Sachverhalt
Der Antragsteller bildete im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung 2021 für die geplante Anschaffung einer Photovoltaikanlage auf seinem Einfamilienhaus einen steuermindernden Investitionsabzugsbetrag. Im November 2022 schaffte er die Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 11,2 kWp an. Der Gesetzgeber stellte jedoch mit dem Jahressteuergesetz vom 17.12.2022 rückwirkend zum 01.01.2022 u. a. Einnahmen aus PV-Anlagen auf Einfamilienhäusern mit einer Leistung von bis zu 30 kWp steuerfrei.
Hierauf machte das Finanzamt den bislang für 2021 gewährten Investitionsabzugsbetrag rückgängig, was zum Wegfall der zunächst eingetretenen Steuerminderung und für den Antragsteller zu einer Nachzahlung führte. Zur Begründung verwies es auf ein zwischenzeitlich ergangenes Schreiben des Bundesfinanzministeriums vom 17.07.2023 (IV C 6 - S 2121/23/10001:001, Rn. 19), wonach Investitionsabzugsbeträge, die für seit 2022 steuerbefreite Photovoltaikanlagen zuvor gebildet und nicht bis Ende 2021 wieder aufgelöst wurden, rückgängig zu machen seien.
Da das Finanzamt die Aussetzung der Steuernachzahlung von der Vollziehung bis zur Entscheidung über seinen Einspruch ablehnte, wandte sich der Antragsteller an das Finanzgericht Köln. Die nachträgliche Streichung des Investitionsabzugsbetrags sei unzulässig. Er habe sich vor der Gesetzesänderung zur Anschaffung der PV-Anlage entschlossen und darauf vertraut, Einkommensteuern zu sparen.
Der Antrag vor dem Finanzgericht Köln hatte keinen Erfolg (siehe unseren Blogbeitrag).
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Beschwerde stattgegeben und Aussetzung der Vollziehung angeordnet.
Es ist zweifelhaft, ob das Finanzamt den IAB im Streitjahr rückgängig machen durfte.
In Ermangelung einer klaren gesetzlichen Regelung erscheint die Beurteilung unsicher, ob der IAB unter den Umständen des Streitfalls wegen § 3 Nr. 72 EStG bereits im Jahr seines ursprünglichen Abzugs rückgängig zu machen ist oder ob eine entsprechende Hinzurechnung erst später vorgenommen werden kann.
Zweifelhaft ist der Veranlagungszeitraum, in dem der "actus contrarius" zum IAB zu erfassen ist.
Der Meinungsstand im Schrifttum ist uneinheitlich und bestätigt die derzeit noch bestehende Unsicherheit der Gesetzesauslegung. Die Frage, wie mit einem IAB zu verfahren ist, der vor dem 01.01.2022 in Anspruch genommen und noch nicht wieder gewinnerhöhend hinzugerechnet wurde, wird für den Fall, dass nach dem 31.12.2021 in eine nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlage investiert wird, als "äußerst umstritten" beschrieben (Zapf, juris PraxisReport Steuerrecht 36/2024 Anm. 4 unter D.).
Zum Teil wird die Auffassung der Finanzverwaltung geteilt (Dorn/Isinger, Der Betrieb 2023, 1830; Hennigfeld, EFG 2024, 939, 940; Obermeir, Deutsches Steuerrecht kurzgefasst 2024, 144; Ruiner, Betriebs-Berater 2023, 2269, 2271; Schmidt/Kulosa, EStG, 43. Aufl., § 21 Rz 60; vgl. Nacke, Gestaltende Steuerberatung ‑GStB‑ 2024, 246 und Rothe, Finanz-Rundschau 2023, 878, 886, beide mit Hoffnung auf eine Billigkeitsregelung des BMF).
Die Gegenmeinung hält eine Gewinnkorrektur im Jahr der Anschaffung der Photovoltaikanlage trotz der Einführung des § 3 Nr. 72 EStG für möglich (Fietz/Mayer, NBW 2023, 706, 710 f.; BeckOK EStG/Niklaus, 19. Ed. [01.07.2024], EStG § 3 Nr. 72 Rz 26; Perschon, Stbg 2023, 47, 51; Schiffers, DStZ 2023, 11, 16; Schiffers/Seifert, DStZ 2023, 122, 135; Seifert, NWB 2024, 1374, 1382 f.; kritisch auch Gragert, NWB 2023, 2479, 2486 f., Herold, GStB 2024, 155 und Mücke, NWB 2024, 1060 f. sowie Meyerle, EFG 2024, 962 f., in einer Anmerkung zum Beschluss des FG Nürnberg vom 01.03.2024 - 5 V 1163/23, EFG 2024, 955).
Im Ergebnis ist die den ablehnenden AdV-Beschluss des FG Köln tragende Auffassung, dass der im Jahr 2021 gebildete IAB unter den Umständen des Streitfalls zwingend im Jahr seines Abzugs rückgängig zu machen ist, nach der gebotenen summarischen Würdigung ernstlich zweifelhaft.
Da sich die Entscheidungserheblichkeit dieser ungeklärten einfachrechtlichen Frage auch nicht aus einem anderen Grund in zweifelsfreier Weise verneinen lässt, ist die AdV ‑unabhängig von verfassungsrechtlichen Fragen‑ antragsgemäß zu gewähren.
Fundstelle
BFH, Beschluss vom 15. Oktober 2024 (III B 24/24 (AdV)), veröffentlicht am 31. Oktober 2024.