AdV bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Höhe der Aussetzungszinsen

Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel an der Höhe des Aussetzungszinssatzes ist nur für Zinszeiträume ab dem 01.01.2019 und lediglich in Höhe der gesetzlichen Spreizung der Aussetzungszinsen und der Nachzahlungszinsen von 0,35 Prozent für jeden Monat zu gewähren. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Beschluss entschieden.

Sachverhalt

Streitig zwischen den Beteiligten war die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Aussetzungszinsen.

Der Antragsteller erzielte in den Jahren 2001 und 2002 aus der Veräußerung einer Unternehmensbeteiligung Einnahmen in sechsstelliger Höhe, über deren steuerrechtliche Einordnung zwischen den Beteiligten Streit bestand.

Das Einspruchsverfahren betreffend die Einkommensteuerfestsetzung für 2001 wurde für die Dauer des gegen den Einkommensteuerbescheid für 2002 geführten Klageverfahrens ausgesetzt.

Auf Antrag des Antragstellers gewährte das Finanzamt Aussetzung der Vollziehung (AdV) des Einkommensteuerbescheids für 2002.

Am 27.02.2023 wurde in dem Klageverfahren ein Erörterungstermin durchgeführt, bei dem ein Verständigungsvorschlag unterbreitet wurde.

Der Antragsteller nahm daraufhin seine Klage zurück. Am 23.03.2023 erließ das Finanzamt einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2001, der ausweislich des Erläuterungsteils des Bescheids die "Vereinbarungen laut Erörterungstermin" umsetzen sollte.

Unter Hinweis auf die vom Antragsteller im Erörterungstermin erklärte Klagerücknahme hinsichtlich des Einkommensteuerbescheids 2002 setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 27.06.2023 Aussetzungszinsen nach § 237 der Abgabenordnung (AO) fest.

Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein und begehrte AdV. Das Finanzamt lehnte den Antrag auf AdV mit Bescheid vom 21.08.2023 ab.

Der Antrag auf gerichtliche AdV vor dem Niedersächsischen Finanzgericht hatte keinen Erfolg.

Entscheidung des BFH

Der BFH hat der Beschwerde teilweise stattgegeben und Aussetzung der Vollziehung in diesem Umfang angeordnet.

Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte.

Nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO ist, soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, zu verzinsen.

Für den Zinslauf bestimmt § 237 Abs. 2 AO, dass Zinsen vom Tag des Eingangs des außergerichtlichen Rechtsbehelfs bei der Behörde, deren Verwaltungsakt angefochten wird, oder vom Tag der Rechtshängigkeit beim Gericht an bis zum Tag, an dem die AdV endet, erhoben werden.

Ist die Vollziehung erst nach dem Eingang des außergerichtlichen Rechtsbehelfs oder erst nach der Rechtshängigkeit ausgesetzt worden, so beginnt die Verzinsung mit dem Tag, an dem die Wirkung der AdV beginnt. Die Zinsen betragen für jeden Monat einhalb Prozent (§ 238 Abs. 1 Satz 1 AO). Sie sind von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, nur für volle Monate zu zahlen; angefangene Monate bleiben außer Ansatz (§ 238 Abs. 1 Satz 2 AO).

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall bei der gebotenen summarischen Prüfung vor. Durch die Klagerücknahme in dem Verfahren 9 K 174/13 wegen Einkommensteuer für 2002, dessen Bescheid von der Vollziehung ausgesetzt war, ist die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage endgültig erfolglos geblieben. Die für 2002 geschuldete Einkommensteuer nebst Solidaritätszuschlag war daher zu verzinsen.

Fundstelle

BFH, Beschluss vom 24. Oktober 2024 (VI B 35/24(AdV)), veröffentlicht am 14. November 2024.

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