Entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchs an GmbH-Anteilen
Ob das wirtschaftliche Eigentum an GmbH-Anteilen dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen ist, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht und daher wegen § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung für das Revisionsgericht grundsätzlich bindend. Ist der Vorbehaltsnießbraucher nicht wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Anteile, ist die Ablösung des Nießbrauchs ein für ihn nicht steuerbarer Vorgang. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entschieden.
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine natürliche Person, die im Jahr 2012 Geschäftsanteile an einer GmbH, die 20% des Stammkapitals i.H.v. 250.000 Euro ausmachten, unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Sohn übertrug. Die Klägerin behielt sich den Nießbrauch an den Anteilen vor, der insbesondere das Recht auf Gewinnbezug umfasste.
Im Jahr 2018 veräußerte der Sohn die erhaltenen Anteile an Mitgesellschafter zu einem Kaufpreis von 2,4 Mio. Euro. In diesem Zusammenhang schloss der Sohn eine Vereinbarung mit der Klägerin, gemäß der sie gegen Zahlung von ca. 1,93 Mio. Euro auf den Nießbrauch verzichtete. Die Zahlung wurde durch die Käufer direkt an die Klägerin entrichtet.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2018 vertrat die Klägerin die Auffassung, die Ablösung des Nießbrauchsrechts sei eine nicht steuerbare Vermögensumschichtung.
Demgegenüber ging das Finanzamt von einer Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 17 EStG aus und besteuerte das Entgelt für den Verzicht nach dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG).
Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab.
Soweit die Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hatte, dass die Zahlung des Ablösebetrags eine nicht steuerbare Umschichtung auf der privaten Vermögensebene darstelle, hatte die Klage keinen Erfolg.
Das Finanzgericht Nürnberg stellte fest, dass der Sohn im Jahr 2012 auch wirtschaftlicher Eigentümer der GmbH-Geschäftsanteile geworden sei. Es gab dem hilfsweisen Begehren der Klägerin statt, mit dem sie eine Berücksichtigung des Ablösebetrags bei den Einkünften aus Kapitalvermögen begehrt hatte.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben.
Das Finanzgericht sei, so der BFH, zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass der Ablösungsbetrag der Klägerin als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG zuzurechnen sei, obwohl das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen bereits 2012 auf den Sohn übergegangen sei.
Die den BFH bindende (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellung des Finanzgerichts, das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen an der GmbH sei bereits mit der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von der Klägerin auf ihren Sohn übergegangen, schließe es vielmehr aus, der Klägerin die Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen. § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG habe keine die Einkünfte erweiternde Bedeutung.
Die Vorschrift habe stattdessen eine doppelte Wirkung: Ihr sei positiv zu entnehmen, zu welcher Einkunftsart eine Entschädigung gehöre. Zum anderen habe die Vorschrift auch eine negative Rechtsfolge. Sie stelle in Nr. 1 Buchstabe a klar, dass alle diejenigen Entschädigungen aus dem Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 EStG ausgenommen seien (und somit keine steuerbaren Einkünfte darstellten), die für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt würden, die ihrerseits nicht unter die Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG fielen.
Die Einräumung eines Vorbehaltsnießbrauchs könne zwar zivilrechtlich so ausgestaltet werden, dass das wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen steuerrechtlich dem Nießbrauchsberechtigten zuzurechnen sei. Im Streitfall sei das aber nach den Feststellungen des Finanzgerichts nicht der Fall gewesen. Ohne wirtschaftliches Eigentum an den Anteilen habe die Klägerin durch den Erhalt des Ablösungsbetrags auch keine nachträglichen Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielen können.
Zu Recht habe das Finanzgericht hingegen entschieden, dass die Klägerin aufgrund des Verlusts des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen im Jahr 2012 durch den Ablösebetrag keinen steuerbaren Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG erzielt habe (weder allein nach dieser Vorschrift noch in Verbindung mit § 24 Nr. 1 Buchstabe a oder Nr. 2 EStG).
Der Bezug des Ablösungsbetrages durch die Klägerin sei demzufolge nicht einkommensteuerbar.
Fundstelle
BFH, Urteil vom 20. September 2024 (IX R 5/24), veröffentlicht am 28. November 2024.
Eine englische Zusammenfassung dieses Urteils finden Sie hier.