Verdeckte Gewinnausschüttung bei unentgeltlichem Erwerb von Gesellschaftsanteilen, welche die Gesellschaft zuvor als eigene Anteile gehalten hat, durch einen Alleingesellschafter
Die unentgeltliche Übertragung von durch eine GmbH als eigene Anteile gehaltenen Geschäftsanteilen auf den Alleingesellschafter stellt dem Grunde nach eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Auf Ebene des Gesellschafters handelt es sich auch nach dem BilMoG weiterhin um einen Anschaffungsvorgang. Dabei stellt der ersparte Aufwand, den ein fremder Dritter für die Anteile hätte zahlen müssen, seinen Vermögensvorteil dar. Dies hat das Finanzgericht Baden-Württemberg in einem Urteil entschieden.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung einer verdeckten Gewinnausschüttung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger war zu Beginn des Streitjahres alleiniger Gesellschafter der A GmbH. Er hielt zwei Drittel der Geschäftsanteile, das restliche Drittel hielt die A GmbH als eigene Anteile selbst.
Nach § 8 der Satzung der A GmbH konnte eine Verfügung über Geschäftsanteile nur mit Zustimmung sämtlicher Gesellschafter erfolgen.
Mit notariellem Vertrag vom XX.XX.2016 verpflichtete sich die A GmbH, den ihr selbst gehörenden Geschäftsanteil von einem Drittel an der A GmbH auf den Kläger zu Alleineigentum zu übertragen. Der Kläger nahm die Verpflichtung an. Eine Gegenleistung war hierfür nicht zu erbringen. In der selben Urkunde wurde sodann die dingliche Übertragung des Geschäftsanteils vorgenommen.
Im Jahr 2019 fand bei dem Kläger eine Außenprüfung statt. Im Prüfungsbericht vom 17.12.2019 vertrat der Prüfer die Auffassung, dass in der unentgeltlichen Übertragung der eigenen Anteile auf den Kläger eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe des übertragenen Anteils des gemeinen Werts der GmbH zu sehen sei. Die verdeckte Gewinnausschüttung führe nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) zu Einkünften aus Kapitalvermögen und unterliege der Abgeltungssteuer.
Richterliche Entscheidung
Das Finanzgericht Baden-Württemberg bejaht die unter den Beteiligten streitige Frage, ob die unentgeltliche Übertragung der eigenen Anteile von der A GmbH auf den Kläger dem Grunde nach eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellt.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG liegt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 14.04.2016, VI R 13/14, BStBl II 2016, 778, m.w.N.). Das ist in der Regel der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (BFH, Urteil vom 21.10.2014, VIII R 21/12, BStBl II 2015, 638, m.w.N.).
Die Art des Vermögensvorteils ist für die Erfassung als sonstiger Bezug im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG unerheblich. Jeder hinreichend bestimmte, messbare Vorteil reicht aus.
Ob eine verdeckte Gewinnausschüttung beim Anteilseigner im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG vorliegt, ist unabhängig davon zu beurteilen, ob eine verdeckte Gewinnausschüttung auf der Ebene der Körperschaft anzunehmen ist. Dies gilt sowohl für die Beurteilung der materiellen Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung als auch für die formell-rechtlichen Zusammenhänge, denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH stehen der Körperschaftssteuerbescheid und der Einkommensteuerbescheid nicht im Verhältnis von Grundlagen- zu Folgebescheid (BFH, Beschluss vom 12.06. 2018, VIII R 38/14, BFH/NV 2018, 1141 mit Verweis auf BFH, Urteil vom 27.10.1992, VIII R 41/89, BStBl II 1993, 569).
Entgegen der Ansicht des Klägervertreters beinhalten die auf der Ebene der Gesellschaft anknüpfenden handelsrechtlichen Änderungen durch das BilMoG keine Neuregelung hinsichtlich der hier in Rede stehenden Gesellschafterebene (so bereits BFH, Urteil vom 06.12.2017, IX R 7/17, BStBl II 2019, 213). Insofern spielt es keine Rolle, dass die Übertragung der eigenen Anteile auf der Ebene der Gesellschaft nach § 272 Abs. 1b HGB nicht als Veräußerungsgeschäft, sondern als Kapitalerhöhung zu werten ist. Auf der Ebene des Gesellschafters handelt es sich auch nach dem BilMoG weiterhin um einen Anschaffungsvorgang.
Die A GmbH hat als Kapitalgesellschaft dem Kläger, welcher ihr alleiniger Gesellschafter war, außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung durch die unentgeltliche Übertragung der von ihr als eigene Anteile gehaltenen Geschäftsanteile in Höhe von 1/3 des Stammkapitals einen Vermögensvorteil zuwendet. Diese Zuwendung hatte ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis, da ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem Nichtgesellschafter unstreitig die Geschäftsanteile nicht unentgeltlich übertragen hätte.
Entgegen der Ansicht der Klägerseite hat der Kläger durch die unentgeltliche Übertragung einen Vermögensvorteil erhalten. So hat er den Geschäftsanteil unentgeltlich erhalten, wohingegen ein fremder Dritter hierfür einen Kaufpreis hätte zahlen müssen. Ein solcher wäre unstreitig am Markt zu erzielen gewesen. Dieser ersparte Aufwand ist sein Vermögensvorteil.
Die Revision hatte das Finanzgericht nicht zugelassen.
Fundstelle
Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 1. März 2024 (5 K 2301/21); die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim BFH unter dem Az. VIII B 33/24 anhängig.