Auftragsprüfung bei einem Steuerberater

Die Anordnung einer Auftragsprüfung bei einem Steuerberater kann grundsätzlich mit der Vermeidung von typischerweise zu erwartenden Spannungen begründet werden. Dies hat der Bundesfinanzhof in einem aktuell veröffentlichten Urteil entschieden. Das Finanzamt muss in der Einspruchsentscheidung eine individuelle Ermessensentscheidung treffen; es muss derartige Umstände des Einzelfalls aber nicht von Amts wegen aufklären und berücksichtigen.

Hintergrund

Der Streitfall betrifft die Anforderungen, die an eine rechtmäßige, insbesondere ermessensfehlerfreie, Auftragsprüfung nach § 195 Abgabenordnung (AO) zu stellen sind. Dabei geht es insbesondere darum, ob die beauftragende Finanzbehörde auch ihr Auswahlermessen ausüben und gegenüber dem zu prüfenden Steuerpflichtigen begründen muss.

Der Kläger ist Steuerberater und erzielt Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Am 20.01.2020 leitete das Finanzamt N ein Steuerstrafverfahren gegen den Kläger wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärungen 2017 und 2018 sowie Nichtabgabe der Umsatzsteuererklärung 2018 ein.

Das für die Besteuerung des Klägers zuständige Finanzamt B beauftragte im Juli 2020 das beklagte Finanzamt C mit einer Außenprüfung beim Kläger wegen Einkommensteuer und Umsatzsteuer für 2015 bis 2018. Auftragsgemäß ordnete das Finanzamt C beim Kläger eine Außenprüfung an und verwies auf seine Beauftragung durch das Finanzamt B. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein. Das Finanzamt C sah die Beauftragung eines benachbarten Finanzamts mit der Durchführung der Außenprüfung als ermessensgerecht an. Es sei generell davon auszugehen, dass sie der Vermeidung von Spannungen diene und keiner weiteren Begründung bedürfe.

Das Finanzgericht hatte der Klage stattgegeben und fehlende Ausübung des Auswahlermessens durch das Finanzamt gerügt.

Entscheidung des BFH

Das Finanzgericht kann die behördliche Ermessensentscheidung nach § 102 Finanzgerichtsordnung (FGO) nur darauf überprüfen, ob die Grenzen der Ermessensausübung eingehalten sind. Ein eigenes Urteil, ob eine andere Entscheidung (sach-)gerechter oder zweckmäßiger gewesen wäre, steht diesem Gericht nicht zu. Maßgeblich ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Später eingetretene oder bekannt gewordene Umstände sind in die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung nicht einzubeziehen.

Der BFH hat in der Vergangenheit die mit der Vermeidung von "Reibungen" begründete Auftragsprüfung bei einer Steuerberatersozietät oder einem selbständigen Steuerberater durch ein benachbartes Finanzamt als sachlich vertretbar und damit ermessensgerecht erachtet.

Die Beauftragung eines anderen Finanzamts nach § 195 Satz 2 AO verstößt weder gegen das Recht des Steuerpflichtigen auf informationelle Selbstbestimmung, noch wird sie durch das Datenschutzrecht eingeschränkt.

Zur sachgemäßen Ausübung und Begründung des Ermessens bei der Anordnung einer Auftragsprüfung genügt grundsätzlich eine typisierende Beurteilung. Macht der Steuerpflichtige im Einspruchsverfahren keine besonderen Umstände geltend, die im Einzelfall gegen die Grundannahme sprechen, hat es dabei sein Bewenden. Deshalb kann es genügen, wenn mit der Außenprüfung bei einem Steuerberater wegen typischerweise zu erwartenden Spannungen ein benachbartes Finanzamt beauftragt wird.

Umstände, die der Kläger erstmals im Klageverfahren geltend macht, können bei der rechtlichen Überprüfung einer Ermessensentscheidung grundsätzlich nicht berücksichtigt werden.

Fundstelle

BFH, Urteil vom 20. Oktober 2024 (VIII R 18/21) – veröffentlicht am 19. Dezember 2024.

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