EuGH zur „anfänglichen Mindestvertragslaufzeit“ im Sinne von Art. 30 Abs. 5 der Universaldienstrichtlinie
In einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die Frage aufgeworfen, ob unter „anfängliche Mindestvertragslaufzeit“ im Sinne von Art. 30 Abs. 5 der Universaldienstrichtlinie lediglich die Vertragslaufzeit eines Erstvertrages oder auch ein einige Zeit vor Ablauf des Erstvertrages geschlossener Verlängerungsvertrag zu verstehen ist, wenn er im Verhältnis zum Erstvertrag geänderte Leistungen des Unternehmers und des Kunden zum Inhalt hat. Der EuGH entschied, dass sich der Begriff „anfängliche Mindestvertragslaufzeit“ sowohl auf die Laufzeit des Erstvertrags zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste als auch auf die Laufzeit eines Folgevertrags zwischen denselben Parteien bezieht.
Hintergrund
Der Verbraucherschutzverein erhob beim Landgericht Düsseldorf eine Unterlassungsklage gegen Vodafone, die er darauf stützte, dass Vodafone zum Nachteil von Bestandskunden gegen die nationale Verbraucherschutzregelung verstoßen habe. Besagte Kunden hatten mit Vodafone jeweils einen Erstvertrag mit fester Mindestvertragslaufzeit geschlossen. Im Jahr 2018, vor dem Ablauf ihrer Verträge, wünschten beide Kunden einen Tarifwechsel, um gegen eine höhere monatliche Rate Zugang zu einem verbilligten Kauf eines neuen Mobiltelefons zu erhalten.
Zur Stützung seiner Unterlassungsklage machte der Verbraucherschutzverein geltend, dass durch die Geschäftspraxis die Kunden über einen Zeitraum von mehr als 24 Monaten gebunden würden. Vodafone wandte ein, dass es sich bei dieser Geschäftspraxis lediglich um einvernehmliche Vertragsverlängerungen handele, die nicht unter § 43b Satz 1 TKG und §309 Nr. 9 Buchst. a BGB fielen.
Entscheidung des EuGH
Der Begriff „anfängliche Mindestvertragslaufzeit“ in dieser Bestimmung bezieht sich sowohl auf die Laufzeit des Erstvertrags zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste als auch auf die Laufzeit eines Folgevertrags zwischen denselben Parteien, so dass dieser Folgevertrag keine Mindestvertragslaufzeit von mehr als 24 Monaten beinhalten darf, und zwar auch dann nicht, wenn er vor Ablauf des Erstvertrags unterzeichnet und in Vollzug gesetzt wurde.
Der Gerichtshof ist der Ansicht, dass eine Auslegung von Artikel 30 der Universaldienstrichtlinie dahingehend, dass der Begriff "anfängliche Vertragsdauer" nur die Dauer der ersten zwischen den betroffenen Parteien geschlossenen Verträge und nicht die Dauer der nachfolgenden Verträge zwischen denselben Parteien umfasst, dazu führen würde, dass es für diese Verbraucher möglicherweise über lange Zeiträume hinweg schwieriger wäre, den Anbieter zu wechseln, und ihnen gegebenenfalls die Möglichkeit genommen würde, den Wettbewerb in dem betreffenden Bereich voll auszuschöpfen.
Das Gericht stellt fest, dass eine Auslegung des Begriffs "anfängliche Vertragsdauer", nach der nicht zwischen dem ersten und dem nachfolgenden Vertrag zwischen denselben Parteien unterschieden wird, dem Hauptziel von Artikel 30 der Universaldienstrichtlinie entspricht, nämlich den Verbrauchern den Wechsel des Anbieters in Kenntnis der Sachlage zu erleichtern, wenn dies in ihrem Interesse liegt, um die Vorteile des Wettbewerbsumfelds voll auszuschöpfen.
Somit dürfe das Schutzniveau, das dem Verbraucher zu gewähren ist, nicht niedriger sein, wenn er Änderungen eines Vertrags mit einem Anbieter zustimmt, als wenn er mit einem solchen Vertrag erstmals eine Bindung mit einem neuen Anbieter eingeht.
Dies gilt erst recht in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in welcher der Folgevertrag zwischen den betreffenden Parteien gegenüber dem Erstvertrag Änderungen enthält, die wesentliche Klauseln betreffen, wie etwa solche, die sich auf die Preisgestaltung, den Inhalt oder die Natur der fraglichen Leistungen beziehen.
Fundstelle
EuGH, Urteil vom 13. Februar 2025 Rechtssache C-612/23, Verbraucherzentrale Berlin.