EuGH: Anwendung nationalen Rechts auf in anderem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft mit Niederlassungsfreiheit unvereinbar

In einer Entscheidung aus 2024 hat der Europäische Gerichtshof in der Anwendbarkeit des nationalen Rechts eines EU-Mitgliedstaats auf Maßnahmen der Geschäftsführung einer in anderem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft einen Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit festgestellt.

Hintergrund

Der Vorabentscheidungsfrage des italienischen Kassationsgerichtshof lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Bei dem in Italien belegenen Schloss handelte es sich um den einzigen Vermögensgegenstand der Agricola Torcrescenza Srl, einer Gesellschaft, deren Gesellschaftszweck in der Verwaltung dieser Immobilie bestand. Im Jahr 2004 änderte die Gesellschaft zunächst ihren Firmennamen in STA Srl und verlegte daraufhin ihren Gesellschaftssitz nach Luxemburg, wo sie in eine luxemburgische Gesellschaft, STE, umgewandelt wurde und das Schloss aber weiterhin verwaltete. In 2012 übertrug F. F., der Generalbevollmächtigten von STE, im Namen und auf Rechnung von STE das Eigentum am Schloss auf S.T., die es danach auf Edil Work 2 übertrug. Im Jahr 2013 erhob STE vor dem Gericht in Rom Klage gegen S.T. und Edil Work 2 auf Nichtigerklärung der beiden Übertragungen des Eigentums am Schloss, da die streitige Vollmachtserteilung nach italienischem Recht rechtswidrig sei.

Entscheidung des EuGH

Die Art. 49 und 54 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die allgemein vorsieht, dass dessen nationales Recht auf Maßnahmen der Geschäftsführung einer Gesellschaft anwendbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, aber den Hauptteil ihrer Tätigkeiten im erstgenannten Mitgliedstaat ausübt.

Die betreffende italienische Vorschrift ist unionsrechtswidrig, da ausschließlich jede Maßnahme der Geschäftsführung einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats wirksam gegründet wurde, aber den Hauptteil ihrer Tätigkeiten in Italien ausübt, nach italienischem Recht zu beurteilen ist.

Unter den vorliegenden Umständen des italienischen Rechts, so der EuGH, könnte eine Gesellschaft, die sich in der Situation von STE befindet, kumulativ sowohl dem luxemburgischen als auch dem italienischen Recht unterliegen. Eine solche kumulative Anwendung des Rechts zweier Mitgliedstaaten kann die Geschäftsführung dieser Gesellschaft erschweren.

Die in Rede stehende italienische Regelung, dass auf jede Maßnahme der Geschäftsführung einer Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, aber den Hauptteil ihrer Tätigkeiten in Italien ausübt, systematisch italienisches Recht anzuwenden ist, käme einer Vermutung gleich, wonach die Verhaltensweisen einer solchen Gesellschaft stets missbräuchlich sind. Eine solche Regelung sei unverhältnismäßig.

Wenn die italienische Regelung dazu führt, dass sich jede Maßnahme der Geschäftsführung einer Gesellschaft, die nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats wirksam gegründet wurde, aber den Hauptteil ihrer Tätigkeiten in Italien ausübt, nach italienischem Recht zu richten hätte, könnte beispielsweise nicht geprüft werden, ob in einem konkreten Fall die Gefahr besteht, dass die Interessen der Gläubiger, der Minderheitsgesellschafter oder der Arbeitnehmer beeinträchtigt werden.

Fundstelle

EuGH, Urteil vom 25. April 2024 in der Rechtssache C-276/22 Edil Work 2 und S.T.

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